Da ich eine sehr anstrengende Arbeitswoche hinter mir habe, gibt es heute nur einen etwas kürzeren Beitrag über eine persönliche Anekdote, wenn man so will. Ich muss mich an diesem Wochenende einfach etwas erholen und vor allem schlafen und an einem Blogpost schreibe ich tatsächlich immer einige Stunden, weshalb ich mich dazu im Moment nicht aufraffen kann. Hoffentlich verzeiht ihr mir *schwitz*. Ich verspreche euch aber, dass ihr spätestens bis zum Ende der nächsten Woche wieder eine Rezension von mir zu lesen bekommt. Ehrenwort! Mein Ziel ist es ja, dass ich mindestens einen Beitrag pro Woche schreibe. Ich dachte mir, da die meisten von euch vielleicht interessiert, wie ich persönlich zum Boys‘ Love-Fan geworden bin, widme ich dieser Frage diesen kleinen separaten Post. Ihr dürft euch übrigens ganz frei fühlen und in den Kommentaren selbst von euren Erlebnissen erzählen beziehungsweise davon, wie euch diese schreckliche und unheilbare Sucht befallen hat. Schrecklich ist hier natürlich im allerbesten Sinne gemeint *zwinker*.
Bei mir ist eindeutig Rihito Takarai mit ihrem Ten Count an meinem jetzigen ‚Zustand‘ schuld. Ich bin – es muss Anfang 2017 gewesen sein – eine ehemalige Studienfreundin in Berlin besuchen gewesen und da ich eigentlich aus einem kleinen Städtchen komme, in dem es nur einen sehr kleinen Buchladen mit sehr begrenzter Literaturauswahl gibt, führt mich mein erster Gang in Berlin meistens in verschiedene Buchhandlungen, in diesem Fall unter anderem in meinen Lieblingsthalia im Einkaufszentrum Alexa am Alexanderplatz. Da meine Freundin (die, die mich mit Vampire Knight infiziert hat, wie ihr in „Über mich, Amaya“, lesen könnte) schon länger exzessiv Manga las – im Gegensatz zu mir, die zu diesem Zeitpunkt eher eine Gelegenheitsleserin war -, sind wir an diesem Tag gemeinsam in der Mangaecke gelandet. Ten Count war zu diesem Zeitpunkt noch nicht sooo wahnsinnig lange draußen und dementsprechend gut bestückt war das Regal mit Rihito Takarais neuer Reihe. Die ersten vier Bände konnte man mittlerweile käuflich erwerben. Irgendjemand von den Angestellten – diese Dame oder diesen Herrn verfluche ich bis heute – war so geschickt und hat die Bände nicht mit dem Buchrücken, sondern mit dem Titelmotiv sichtbar ins Regal sortiert. Uh, und irgendwie, ja irgendwie konnte ich meinen Blick nicht mehr von den Covern lösen.
Ich bin dann ungefähr 15 Minuten lang schwitzend durch die Buchhandlung geschlichen, weil ich mich nicht getraut habe mit den Bänden zur Kasse zu gehen. Ihr wisst ja, meine kleine Wenn-das-jemand-sieht-Phobie („Konbini-kun“ von Junko). Dazu muss ich betonen, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch keine blassen Schimmer davon hatte, dass es so etwas wie Boys‘ Love-Mange gibt, geschweige denn davon, was diese Manga enthalten *hust*. Ich hatte mich im Thalia noch nicht mal getraut, einen der Bände in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Ich hatte zwar schnell und unauffällig die Inhaltsangabe der Rückseite des ersten Bandes studiert, aber diese verrät einem, wenn man mit dem Genre nicht vertraut ist, nicht unbedingt, was für ein Heft man da wirklich in den Händen hält. Fand ich damals zumindest. Als eingefleischte Vielleserin kann ich rückblickend natürlich schon sagen, dass man die Andeutung im letzten Satz hätte korrekt deuten können… Nun gut, hätte, hätte, Fahrradkette. Ich fand die psychologische Thematik, die der Manga versprach, schlichtweg sehr spannend und deshalb wollte ich ihn außerdem haben.
Um es kurz zu machen: Ich war angefixt und die Manga gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Noch während meiner Heimreise am selben Abend mit der Bahn beorderte ich die ersten vier Bände von Ten Count via Amazon zu mir nach Hause. Wie man es von Amazon gewohnt ist, trafen die heiß ersehnten Hefte bereits einen Tage später (per Expresslieferung *hehehe*) ein. Da passenderweise gerade das Wochenende vor der Tür stand, musste ich meine Geduld auch nicht lange auf die Probe stellen und konnte mich gleich zum Lesen auf das Sofa zurückziehen. Diejenigen unter euch, die den Manga bereits kennen, wissen sicherlich, dass der erste Band noch recht unverfänglich ist und dürften dementsprechend jetzt bereits ein dickes Grinsen im Gesicht haben, wenn sie daran denken, was mich unwissenden Tropf im zweiten Band erwarten würde. Ich glaube, denn ersten Band habe ich noch recht gelassen aufgenommen. Ich dachte mir wohl Dinge wie „Hm, irgendwie komisch – warte, sollte das ein Kuss werden?!“, aber insgesamt bin ich – denke ich zumindest – ein recht offener und toleranter Mensch, weshalb ich dem Gedanken, dass es vielleicht tatsächlich um die Entwicklung einer schwulen Liebesbeziehung gehen würde, ziemlich gelassen gegenüberstand.
Aber dann, der zweite Band! Ich will denjenigen, die Ten Count noch nicht gelesen haben, nicht den zukünftigen Lesespaß verderben, weshalb ich versuche, nichts all zu Explizites über den Inhalt zu verraten, aber ganz lässt es sich in diesem Zusammenhang leider nicht vermeiden. Wenn ihr wollte, könnt ihr also nun aufhören zu lesen *wink*. Auch der zweite Manga der Reihe fängt harmlos an, aber mit einem Schlag ändert sich das Verhältnis von Kurose und Shirotani, was im Heft doch recht plötzlich kommt, und als Kurose bei Shirotani auf einmal beherzt zulangte, wurden meine Augen immer größer. Und mit jeder weiteren Seite mein Gesicht wahrscheinlich auch immer röter. Ein Glück, dass ich alleine zu Hause war *räusper*. Ich muss zugeben, dass mich der Umstand, plötzlich mit Zeichnungen von zwei Männern konfrontiert zu sein, von denen der eine es dem anderen gerade so richtig besorgt, doch etwas schockiert hat und ich mich in dem Moment schon gefragt habe, was ich da eigentlich lese. Die nächsten zehn Minuten habe ich dann mit dem Auf- und Zuklappen des Manga verbracht, weil ich weder mit dem Lesen aufhören konnte noch wieder anfangen wollte. Wenn in dieser Situation jemand an der Wohnzimmertür vorbei gegangen wäre, hätte er folgende Geräusche vernommen: *Aufblättern*, *lautes Quietschen*, *Zublättern*, *leises Quietschen*, *Aufblättern*. In dieser Reihenfolge und in einem sich wiederholenden Zyklus. Ich würde den Zustand, der mich schließlich zum Weiterlesen gebracht hat, als eine Art Faszination für diese Welt beschreiben, die mich wohl in der Sekunde gepackt hatte, als ich in der Buchhandlung das Cover des ersten Bandes betrachtete. Es ist ziemlich gut, dass niemand den Verlauf meines Browsers von diesem Tag einsehen kann, denn bei mir taten sich – neben aller emotionalen Aufgewühltheit *räusper* – einige wissenschaftliche Fragen auf, wenn man es so nennen will *hehehe*. Unter anderem: Wie funktioniert das eigentlich, schwuler Sex? Bei Gelegenheit werde ich mal einen Beitrag zum Thema „Klischee und Wirklichkeit in BL-Manga“ schreiben, in dem ich euch von meinen Rechercheergebnissen berichte.
An diesem Abend war ich letztendlich psychisch etwas geschafft. Ich hatte alle vier Bände in einem Rutsch gelesen und für eine bisher ziemlich unschuldige junge Frau waren das zu viel Sex und vor allem zu viele Peniszeichnungen auf einmal. Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, fiel es mir jedoch erstaunlich leicht, mich mit dieser Art von Kunst anzufreunden. Ja, richtig gelesen, ich finde schon, dass auch diese Manga Kunst sind. Die Mangaka erschaffen in ihnen wahnsinnig tolle und perfekte Männerkörper, dargestellt in sehr ästhetischen Artworks. Ich denke, letztendlich befriedigt diese Weise der Darstellung das menschliche Sehnen nach Schönheit und Vollkommenheit, das wir irgendwie, von welcher Macht auch immer, mit in die Wiege gelegt bekommen haben und das die Menschen in allen Zeitaltern nach dem Sinnlichen und Schönen hat streben lassen, sei es in Kunst, Literatur oder anderen Disziplinen. Niemand von uns kann sich dem Begehren ästhetischer Dinge entziehen, was sich bereits darin äußert, dass wir unsere Wohnung oder unser Haus mit Dekoartikeln, Gemälden oder einer geschmackvollen Einrichtung gestalten wollen. In BL-Manga fallen Erotik und Ästhetik darüber hinaus zusammen, was den Genuss der Zeichnungen vergrößert. Bereits in der Antike wurde die bildhauerische Darstellung von Sinnlichkeit in Form idealisierter nackter Körper zu einer beliebten Kunstform. Wer schon einmal in Italien oder Griechenland im Urlaub war, der kennt sicherlich die weißen Marmorstatuen, die oft nackte oder spärlich bekleidete antike Götter darstellen. Ich persönlich genieße das Lesen dieser Manga also primär aufgrund der wundervollen und erotischen Zeichnungen. Ich denke, daran ist nichts Falsches zu finden. Vielmehr sind es die gesellschaftlichen Normen und Werte, die uns denken lassen wir täten etwas Unanständiges, wenn wir die Lektüre solcher Manga anderer Literatur vorziehen.
Jeder BL-Leser weiß sicherlich, dass diese Manga nicht die Realität abbilden. In Wirklichkeit laufen nicht alle (homosexuellen) Männer mit Sixpack durch die Gegend und / oder sind von einer so strahlenden Schönheit, dass sie manchmal beinahe feminin oder geschlechtslos wirken. Zudem tradieren BL-Hefte viele Klischees, die in Bezug auf die Beschaffenheit von Homosexualität bestehen. Ich frage mich oft, was wohl homosexuelle Männer denken (würden), wenn sie einen BL-Mange lesen. Fühlen sie sich diffamiert? Oder gefallen ihnen diese Manga auch? Doch da es sich für mich – wie gesagt – um eine Form der künstlerischen Darstellung handelt, messe ich diesen Fragen keine übermäßige Bedeutung bei. Auch für mich gibt es Kunst, die mir nicht gefällt, aber als solche muss ich trotzdem ihre Daseinsberechtigung anerkennen, wenn es Menschen gibt, die bei ihrem Anblick etwas empfinden oder er bei ihnen Denkprozesse anstößt. Ich finde die Existenz dieser Manga im Gegenteil sehr wichtig, denn neben aller physischen Perfektion der Figuren thematisieren die Hefte in vielen Fällen doch auch gesellschaftliche Brüche und Vorurteile, die im Kontext des Themas Homosexualität existieren. In vielen Teilen der Welt müssen homosexuelle Menschen immer noch Gewalt und manchmal sogar den Tod erleiden und werden aus der Gesellschaft ausgegrenzt, wenn ihre Neigung öffentlich wird. Wenn BL-Manga auch nur einen kleinen Teil dazu beitragen, dass schwule Beziehungen als das gesehen werden, was sie sind, nämlich ganz normale Partnerschaften voller Liebe und Zuneigung und Problemen, die auch heterosexuelle Paare haben, dann haben sie mehr als eine Daseinsberechtigung, dann sind sie darüber hinaus für unsere Gesellschaft sehr wichtig!
Das war es für heute von mir. Ich hoffe, der Beitrag hat euch nicht nur gut unterhalten, sondern auch etwas zum Nachdenken gebracht. Alles, was nach meiner Begegnung mit Ten Count geschehen ist, ist übrigens Geschichte, wie man so schön sagt. Seitdem verbringe ich meine Freizeit unter anderem mit dem Lesen von BL-Manga und seit ein paar Wochen, wie ihr wisst, auch mit dem Schreiben über solche.
Jaa mata ne, eure Amaya!
4 Kommentare
Sara · 30. Juli 2018 um 22:21
Hi amaya
Ich hab deinen Beitrag freudig gelesen und hab mich in deiner Erzählung genau wieder gefunden.
Zwar hatte ich zuvor schon love-stage gesehen, hätte aber nicht von mir behauptet, dass ich irgendwelche Eindrücke von BL hätte.
Jedenfalls wie schon gesagt war meine geschichtw genau wie du sie erlebt hast.
Ich befasse mich in letzter Zeit vermehrt mit dem Genere, und bin durch deine Rezession zu Given auf deinen Blog aufmerksam geworden.
Ich hab noch nicht viel von deinem Blog gelesen, aber ich find mich schon jetzt total wieder.
Ich bin noch nicht gut mit der Bl-szene vertraut, deshalb würden mir Beiträge, in denen du ein paar Begriffe erklärst weiterhelfen (auch beim Lesen deiner Blogeinträge).
So jetzt haben wir Lob, persönliches, und konstruktivere Kritik 🙂 ich hoffe du hast meinen Text genauso gerne gelesen wie ich deine.
Mit Grüßen
Amaya · 30. Juli 2018 um 22:40
Hallo Sara,
wow, ich bin ganz happy, du bist quasi mein erster Kommentar auf meinem Blog. Es fühlt sich toll an, wenn man weiß, dass da draußen wirklich echte Menschen sitzen und Spaß daran haben, meine Beiträge zu lesen! Vielen Dank auch schon einmal für das nette Lob und die konstruktiven Anregungen.
Ich werde mir in Zukunft weiterhin viel Mühe geben und versuchen, beim Schreiben mehr zu erklären. Vielleicht hilft es dir für den Anfang ja schon, wenn du einmal mein kleines Manga-Lexikon liest. Dort findet sich auch ein eigener Absatz zum Thema BL. Der Beitrag ist auf der Startseite des Blogs im Text „Über Manga unter der Bettdecke“ verlinkt.
Liebe Grüße
Amaya
Aluca · 15. Januar 2019 um 8:13
Da meine Boys Love-Leidenschaft bereits während meiner Zeit auf dem Gymnasium begonnen hat (also so in den frühen 2000-ern), weiß ich gar nicht mehr genau, was mein erster BL-Manga war. Zumal der deutsche Markt damals ja noch recht spärlich und überwiegend mit Shonen Ai bestückt war. Die Werke von You Higuri, Ayano Yamane und Hinako Takanaga haben mir damals gut gefallen, später kamen dann Kazuma Kodaka, Shiuko Kano und vor allem Youka Nitta dazu (letztere gabs natürlich nur auf Englisch zu kaufen, wenn überhaupt).
Dann habe ich dieses Hobby einige Jahre lang „pausiert“. Den Grund dafür weiß ich gar nicht so genau – vermutlich war mein Mann schuld, den ich damals kennengelernt habe ;P
Nach einer Tokio-Reise im Herbst 2018 wurde das BL-Feuer in mir dann neu entfacht und ich habe mir einfach mal eine Ladung gut bewerteter aktueller Mangas bei amazon bestellt. Der erste Manga meiner jetzigen 2. Boys Love-Phase war „Mother’s Spirit“, den ich unheimlich süß fand. Danach folgte die Kuroneko-Reihe, die weniger süß als vielmehr sexy war – und ab da war es (erneut) um mich geschehen. Seit letztem Herbst stehen nun wieder über 50 BL-Mangas in meinem Regal, Tendenz steigend. Inzwischen hat man wenigstens das Geld, um sich solche Shopping-Exzesse leisten zu können ^.^‘
Amaya · 21. Januar 2019 um 8:49
Hallo Aluca,
oh, „Mother’s Spirit“, den mag ich auch sehr gerne! Mir geht es ähnlich wie dir, wenn man erst mal begonnen hat, dann hört man nicht mehr damit auf, Mangas zu ‚horten‘. Bei mir stehen mittlerweile über 100 Titel im Regal, und das sind nur die reinen BL-Werke…
Liebe Grüße
Amaya