Titel: Meine erste Liebe / Kare no hatsukoi wa doku ka aruiwa
Genre: Boys‘ Love, Romance, Drama, Slice of Life
Zeichnungen / Story: Iroha Megu
Bände: One Shot
Verlag: KAZÈ Manga
Erscheinungsjahr des 1. Bandes: 2018
Erotische Szenen: ❤❤
Wie im letzten Beitrag versprochen, gibt es heute endlich wieder eine waschechte BL-Rezension von mir. Meine Wahl ist dabei auf den frisch erschienenen One Shot Meine erste Liebe von Iroha Megu gefallen und das hat vor allem einen praktischen Grund: Ich bin letzte Woche beruflich in Hamburg gewesen und so durfte ich Dorfmädchen zu Abwechselung in den Genuss kommen, einen Manga (oder eher viele Manga *räusper*) frisch im Buchladen meines Vertrauens kaufen zu können.
Seit ich das erste Mal in der schönen Hansestadt gewesen bin, führt mich mein Weg, wenn ich dort bin, seither regelmäßig in zwei Läden: den J-Store und den Comic- und Mangashop Sakura. Beide Geschäfte kann ich euch wirklich ans Herz legen und wenn ihr Manga und Anime liebt, lohnt sich für euch ein Besuch mit Sicherheit! Ich will an dieser Stelle einmal etwas unauffällige Werbung machen *zwinker*. Der J-Store ist sehr japanisch ausgerichtet und führt neben einer großen und umfassenden Auswahl an Manga auch japanische Süßigkeiten, Cosplay-Zubehör, Material aus dem K-Pop-Bereich und natürlich jede Menge Merchandise zu Anime und Co. DVDs bekommt man hier eher weniger. Die Angestellten sind mega nett und noch während ich mich durch das Regal mit den BL-Titeln arbeitete, schwebte eine der Damen bereits mit den Worten „Hier habe ich noch Nachschub für dich“ herbei. Ihr ahnt es sicher bereits – ich bin mit reichlich Beute wieder abgezogen! Die Auswahl an Manga ist im Sakura sogar noch größer und hier erhält man auch aktuelle Anime-DVDs und ein kleines Angebot an günstigen Figuren. Neben Plüschtieren, Postern, etwas Merchandise und anderen Produkten führt der Laden auch ’normale‘ Comics, allerdings reduziert sich die Sammlung hier auf eine kleine Ecke des Shops. Manga und Anime stehen ganz eindeutig im Vordergrund. Je nachdem, was man sucht, kann man sehr gut eines der beiden Geschäfte ansteuern, denn sie sind beide über das U-Bahn-Netz zu erreichen und liegen im Herzen Hamburgs. Wenn ihr dem J-Store einen Besuch abstatten wollt, nehmt ihr die Linie U1 bis Wartenau und verlasst den U-Bahnhof über den Ausgang Wandsbeker Chaussee. Nach einem kleinen Fußmarsch von ca. 400 Metern findet ihr den Shop auf der linken Seite. Das bunte Schild über dem Eingang ist eigentlich nicht zu übersehen. Zum Sakura-Laden gelangt ihr mit der U2, Haltestelle Osterstraße. Ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern, welchen Ausgang ich immer nehme, ich glaube, es ist der Ausgang Heußweg. Hier müsst ihr ebenfalls nur ein kleines Stück die Straße entlang gehen und seht dann direkt den Shop auf der rechten Straßenseite. Vielleicht noch ein kleiner Hinweise: Beide Geschäfte haben Werktags erst ab 12 Uhr geöffnet. Ansonsten findet man die zwei Läden auch im Internet, den J-Store mit eigener Website, den Sakura auf Facebook.
Das war es so weit mit dem kleinen Exkurs in die Hamburger Manga- und Animewelt. Aber ich dachte, das muss jetzt einmal sein, schließlich schadet es nie, neue Quellen für die eigene Suchtbefriedigung aufzutun *hust*. Meine erste Liebe habe ich übrigens im Sakura erstanden. Der Manga war nicht auf meiner Muss-ich-kaufen-Liste aufgeführt, die ich mir vor zwei Jahren gewissenhaft bei Amazon angelegt habe und seitdem pedantisch pflege (das fällt in den Bereich ‚Techniken eines Otaku‘), aber da er ganz frisch erschienen ist und mir das Cover-Artwork gefallen hat, habe ich (mal wieder) beherzt zugegriffen. Ebenso fix war der Manga gelesen und da ich aufgrund der Geschäftsreise nicht so viel Zeit für eine Rezension hatte, die einen Manga mit mehreren Bänden umfasst, stellte ich mir vorhin spontan die Frage: Warum soll ich euch nicht diesen Band vorstellen? Ein Gegenargument gab es nicht wirklich und dementsprechend will ich jetzt zum Inhalt kommen.
Inhalt
Miyako, 28 Jahre alt und gegenwärtig Friseur und Stylist, ist seit vielen Jahren in seinen Freund aus Kindertagen, Atsuya, verliebt. Da dieser – ihr ahnt es schon – heterosexuell ist, ergriff Miyako die Flucht und verließ seine Heimat mit unerwiderten Gefühlen und einer Sehnsucht im Gepäck, die leider auch zehn Jahre später nicht wirklich verschwunden ist. Sein einigermaßen geordnetes Leben gerät aus den Fugen, als er von Atsuya die Einladung zu dessen Hochzeit erhält, zusammen mit der Bitte, ihm für die Zeremonie die Haare zu schneiden. Unfähig, seiner Jugendliebe diesen Wunsch abzuschlagen, reist Miyako in die Heimat und begegnet vor der Hochzeit Atsuyas kleinem Bruder Yuya, der mittlerweile gar nicht mehr so klein und ein ziemlich attraktives und erfolgreiches Model ist. Die Feier wirft Miyako jedoch ziemlich aus der Bahn und er hat zunächst kein Auge für den forschen Yuya, der die Gelegenheit beim Schopf packt und Miyako seinerseits seine Liebe gesteht. Erst als die beiden jungen Männer aufgrund eines Wasserschadens in Yuyas Wohnung notgedrungen zusammenziehen, kommen sie sich körperlich langsam näher, wenngleich Miyako sein Herz dem neuen Mitbewohner noch nicht wirklich öffnen kann. Ein mysteriöser Ring scheint das Blatt jedoch plötzlich zu wenden. Miyako kommt nicht mehr von der Frage los, woher Yuya diesen Ring nur hat, der dem ähnelt, den Yuya ihm gemeinsam mit seinem Liebesgeständnis geschenkt hat.
Artwork / Gestaltung
Ich bin wegen der Gestaltung des Covers auf den Manga aufmerksam geworden, aber vielmehr als das Motiv der beiden hübschen jungen Männer auf der Vorder- und Rückseite hat mich ein kleines Detail in den Zeichnungen angesprochen: der Ring, der den Ringfinger der zwei Figuren ziert und der blaue Faden, der die Hände dieser verknüpft. Mein kleines BL-Herz hat da sogleich eine romantische Herzschmerzgeschichte mit Tiefgang gewittert, denn zwei Gegebenheiten lassen sich problemlos mit dem Coverartwork assoziieren. 1. Die beiden Ringe sitzen jeweils am linken Ringfinger und in Japan wird dort sowohl der Verlobungs- als auch der Ehering getragen. 2. Der blaue Faden verbindet die kleinen Finger der linken Hand, die in Japan benutzt werden, um ein sogenanntes Pinky Promise zu schließen beziehungsweise einen Pinky Swear zu leisten, also ein bindendes Versprechen, das nicht gebrochen werden darf. Geschah dies trotzdem, musste sich der Brecher des Versprechens gemäß einer Tradition im alten Japan den entsprechenden Finger abtrennen. Im modernen Japan wird diese Praktik natürlich nicht mehr ausgeübt (außer im Kreis der Yakuza, soweit ich weiß), aber die Vorstellung, dass eine Seelenverwandschaft durch einen roten Faden des Schicksals symbolisiert wird, der die kleinen Finger der linken Hand verbindet, hat sich bis heute gehalten. Diesem Glauben begegnet man in Manga recht häufig und ich finde, das ist eine wahnsinnig romantische Überlieferung, die ich in Deutschland auch gerne hätte *schmacht*. Jetzt könnt ihr euch sicher vorstellen, dass mein Fujoshi-Herz augenblicklich anfing zu rasen und ich quasi gar nicht anders KONNTE, als diesen Manga zu kaufen! Inwieweit sich die Versprechen bewahrheiten, die das Titelmotiv macht, erfahrt ihr später im Abschnitt „Figuren / Handlung“. Insgesamt mag ich es aber sehr, dass bereits das Cover zu solchen Interpretationen einlädt und in diesem Fall mehr sein möchte als eine bloße Abbildung der Protagonisten. Im Gegenteil, es korrespondiert bereits stark mit dem Inhalt des Manga.
Das Artwork ist insgesamt wirklich schön, aber trotz der Tatsache, dass der Zeichenstil im Großen und Ganzen genau dem Stil entspricht, den ich in Manga gerne mag, gab es etwas Undefinierbares, dem sich mein Herz nicht völlig öffnen wollte. Die Figuren sind mit kräftigen Outlines und Linien gezeichnet, die sich verfeinern und dezenter werden, wenn die Mangaka sich an die Porträtzeichnungen wagt. Dann wird die Strichführung sehr fein und zart, genau wie die Gefühle der Charaktere, die in solchen Momenten aufkeimen. Generell kann man von einem eher skizzenhaften Zeichenstil sprechen, der sich mehr und mehr offenbart, je näher der Leser die Gesichter der Figuren betrachtet. Diese scheinen aus vielen sich überlagernden, sehr feinen Strichen zu bestehen, die die Mangaka kunstvoll zu sehr markanten Gesichtszügen formt. Besonders stechen hier die Lippen hervor, die voll und sinnlichen wirken und im Kontrast zu den ansonsten eher kantigen Gesichtszügen und der hageren, aber durchtrainierten Körperform der Figuren stehen. Vielleicht ist es dieser scheinbare Widerspruch, der mich irritiert hat, denn die Charaktere verfügen über einen maskulinen Körperbau, zwar extrem schlank, aber mit ausgeprägter Muskulatur und großen und hageren Männerhänden, von dem sich die Lippen, die großen Augen und die femininen Haarschnitte seltsam abheben. Zudem sind mir die Gesichter teilweise etwas zu spitz und schmal zugeschnitten, vor allem in der Kinnpartie, unter der sich ein sehr ausgeprägter Kehlkopf abzeichnet. Ich denke, dies ist der Hauptgrund dafür, dass das Artwork mich manchmal etwas kalt gelassen hat.
Aber zum Glück sind solche Dinge Geschmackssache und insgesamt ist der Zeichenstil sehr ausgereift, mit passenden Proportionen, wirklich attraktiven Körperdarstellungen und wunderschönen Händen. Ich habe ein Faible für Figuren mit langen Fingern und männlichen Händen, weshalb dies ein Aspekt des Manga ist, bei dem ich auf jeden Fall auf meine Kosten gekommen bin *zwinker*. Die Gesichter der Figuren sind mit Rasterfolie dezent modelliert, sodass – zusätzlich zu den Schattierungen der Mangaka – die Illusion von Licht und Schatten erschaffen wird, die die Charaktere besonders plastisch wirken lässt. Ganz verliebt bin ich in eine Zeichnung gegen Ende des ersten Drittel des Manga, die Miyakos nackten Oberkörper abbildet, wie er in seiner Vorstellung von Atsuyas Händen berührt wird. Die Zeichnung, die eine ganze Seite für sich beansprucht, ist so fein und detailliert umgesetzt, besonders was die Darstellung und Modellierung der Hände und Muskelstränge des Oberkörpers anbelangt – da bin ich ziemlich ins Schmachten verfallen, nicht nur wegen nackter Männerhaut, sondern einfach, weil die Zeichnung wirklich ein kleines künstlerisches Meisterwerk ist.
Die Panele bilden eine ausbalancierte Mischung aus klar abgegrenzten Kästchen und frei in die Seiten eingefügten Zeichnungen. Das alles bleibt jedoch im Rahmen, sodass die Abbildungen niemals unübersichtlich werden. Durch die häufig eingesetzte Rasterfolie werden vielfältige Schwarz-weiß-Kontraste geschaffen, die das Artwork visuell ebenfalls abwechslungsreich gestalten und die Betrachtung sehr angenehm machen. Mit Text geht die Mangaka eher sparsam um, wenngleich es einige Seiten gibt, auf denen sich die Gedanken- und Sprechblasen häufen. Ein literarisches Wunderwerk dürft ihr also nicht erwarten, wenngleich der Manga einige poetische Ansätze bietet. Was mir nicht so richtig gut gefallen hat, ist die Art und Weise, auf die in den Zeichnungen Emotionen und Gefühle umgesetzt werden. Miyakos Mimik ist ganz niedlich und verhältnismäßig gut gelungen, aber Atsuya und vor allem Yuyas Gefühle spiegeln sich hin und wieder etwas verzerrt auf den Gesichtern wieder. Yuya hat während der erotischen Szenen zwar Grund dazu, verhaltenen Frust zu zeigen, allerdings wirkt seine Mimik teilweise beinahe zornig und unbeherrscht und durch die unproportional großen Augen gewinnt man hin und wieder den Eindruck eines leicht irren Blicks, als ob da ein Psychopath vor dem armen Miyako stände.
Erotik
In Meine erste Liebe haben wir mal wieder ein recht klassisches Uke-Seme-Schema vorliegen. Yuya ist groß, dunkelhaarig, attraktiv, fordern und scheint ziemlich genau zu wissen, was er will – nämlich Miyako! Dieser wiederum wirkt durch die langen blonden Haare, seine äußerliche Erscheinung, den Kleidungsstil und die romantische Ader sehr viel femininer und weicher, weshalb es auch keine Überraschung ist, dass er im Bett die Rolle eines Bottom übernimmt. Wenn ihm die Ponysträhnen ins Gesicht fallen und er dabei leicht errötet, wirkt Miyako fast wie ein verschüchtertes Mädchen. An manchen Stellen war mir das schon etwas zu viel Uke. Zumal ich es befremdlich fand, wie Miyako sich beim Sex in die Rolle einer Frau hineindenkt, ja, eigentlich sogar hineinwünscht. Ich weiß nicht, wie dieses Thema unter homosexuellen Männern behandelt wird, aber ich denke eigentlich nicht, dass diese sich zu Partnern des selben Geschlechts hingezogen fühlen, weil sie sich in einer Partnerschaft oder über diese als Frau definieren wollen. Natürlich wird es auch in schwulen Beziehungen eine Rollenverteilung geben und der Partner, der vielleicht besser kochen kann, wird überwiegend die Essenszubereitung übernehmen, doch dies ist ein natürlicher Prozess, der nichts damit zu tun hat, dass einer der beiden Partner sich als Frau versteht oder eine solche ersetzen möchte. Die überwiegende Anzahl homosexueller Männer wird sich auch in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung als maskuliner Part definieren und verstehen, der schlicht einen anderen Mann liebt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wir wissen selbstverständlich nicht, ob Miyakos Figur vielleicht bewusst Züge eines Transgenders aufweisen soll, aber gemeinsam mit seinem Beruf und seinem Kleidungsstil wirkt das auf mich erst einmal wie ein einfaches (oder vielleicht sogar sehr dummes) Schwulenklischee. Bestenfalls resultiert sein Wunsch danach, von Atsuya wie eine Frau berührt zu werden, einfach aus dem Umstand, dass er sich so verzweifelt die Liebe seines Jugendfreundes wünscht und denkt, dass er diese leichter bekäme, wenn er die Rolle einer Frau einnimmt und / oder möglichst weiblich wirkt. Sollte dies nicht der Fall sein, ist das definitiv kein Gedankengang, der auf psychische Stabilität oder eine gefestigte Identität hinweist. Mir gefällt in vielen BL-Manga dieser Ansatz nicht, der einen der männlichen Protagonisten äußerlich und in Bezug auf sein Verhalten in die Rolle einer Frau presst, um vielleicht die Beziehung der beiden männlichen Partner legitimier zu gestalten.
Wobei dieses Schema in sozialwissenschaftlicher Hinsicht interessant sein kann, denn es werden so Rollenbilder und Geschlechterstereotype imitiert, vorgeführt und durch die Übertragung auf einen männlichen Charakter ad absurdum geführt, so dass diese für den Leser offensichtlicher werden und er feststehende Geschlechterrollen leichter hinterfragen kann. Ich denke, ich werde zu diesem Gedankenansatz irgendwann einmal einen separaten Beitrag schreiben. Jetzt aber zurück zum Thema. Was die erotischen Szenen anbelangt, ist Meine erste Liebe sehr explizit gehalten, wenngleich es nur eine Sexszene gibt. Wodurch sich der Manga von anderen Werken abhebt, sind die Masturbationsszenen, die relativ häufig in die Handlung eingefügt sind. Ansonsten werden sämtliche Körperöffnungen und Körperteile, die beim Sex zum Einsatz kommen, sehr freizügig gezeigt, allerdings in leicht zensierter Form, das heißt, die männlichen Geschlechtsteile sind zum Beispiel mit lauter kleinen weißen Strichen ‚verziert‘. Penisse hinter schwedischen Gardienen, könnte man vielleicht dazu sagen *grins*…
Das stört mal mehr, mal weniger, aber ich kann damit leben. Was ich etwas vermisst habe, sind die romantischen Kussszenen! Es gibt zwar Küsse, aber diese werden immer nur so gezeichnet, dass die Gesichter der Figuren sich gegenseitige von hinten verdecken, so dass der Leser nie einen Blick auf die Profilansicht erhaschen kann. Schade, da versäumt der Manga ein wenig Potential! Es wird insgesamt eher wenig Zärtlichkeit zwischen den Figuren gezeigt, was nicht heißt, dass der Manga in irgendeiner Art und Weise brutal wäre, aber richtiges Kuschelfeeling, wie zum Beispiel in Highschool Love, kam bei mir persönlich nicht auf. Es fehlen diese innigen, intimen Momente und Zeichnungen kleiner Berührungen, die bei mir immer dieses angenehme Herzklopfen hervorrufen. Meine erste Liebe hat mich hier erstaunlich kalt gelassen. Außerdem fand ich einige Stellungen – na ja, etwas wüst, wenn man das so sagen möchte *räusper*. Ihr müsste keine Angst vor halsbrecherischer Bettakrobatik haben, aber manchmal sind einfach Perspektive und Beinhaltung etwas übertrieben gewählt und wenn es im Bett zur Sache geht, wirkt das wilde Techtelmechtel doch sehr pornographisch. Wenn man es kurz fassen möchte: Die Ästhetik geht hier flöten. Das meine ich aber nicht abwertend, denn jeder Leser hat zum Glück einen anderen Geschmack.
Dafür dürfen wir an einer Stelle ausgiebig Yuyas schön trainierten und wirklich wundervoll gezeichneten Oberkörper bewundern. Ein weiteres Highlight waren für mich die Szenen auf der Hochzeit beziehungsweise die Stellen, an denen Miyako und Yuya einen Anzug tragen. Im Alltag und Beruf sind die beiden Männer eher geschlechtsneutral gekleidet, in weich fließenden Hosen und schlichten Shirts mit langen Strickjacken und Blazern und modischen Accessoires, was jung und modern, aber nicht unbedingt männlich wirkt. Dabei sehen die zwei Figuren in Hemd und Sakko einfach umwerfend aus und ich finde, dass vor allem Miyako sich in einem schlichten Hemd optisch sehr wandelt und wirklich attraktiv darin wirkt!
Figuren / Handlung
Obwohl ich die Handlung an sich sehr süß und romantisch finde, hat mir bei den Figuren etwas die Komplexität oder Tiefe gefehlt. Miyakos Charakter bietet in Bezug auf seine Identität als homosexueller Mann interessante Ansätze, aber man bekommt leider nicht den Eindruck, dass er über eine wirklich eigenständige Persönlichkeit verfügt. Er ist sehr passiv und lässt sich von seinem Umfeld und vor allem von Atsuya hin und her schubsen wie ein Spielball. Seiner Jugendliebe kann er keine Bitte abschlagen, selbst dann nicht, wenn die Umsetzung dieser für ihn großen seelischen Schmerz bedeutet. Die Figur definiert sich hauptsächlich über ihre unerfüllte Liebe zu einem Mann und hinter den Qualen, die sie durchlebt, weil besagter Mann heterosexuell ist und im Manga seine langjährige Freundin heiratet, verschwinden Miyakos individuelle Persönlichkeitsmerkmale. Man erfährt als Leser viel über seine Sehnsüchte, Wünsche und seinen Schmerz, aber dies alles wird auf die unglückliche Liebe reduziert, in der Miyako gefangen ist. Sein Wesen scheint über die Hälfte des Manga vollständig um Atsuya zu kreisen und Dinge, die ihn sonst ausmachen oder beschäftigen, bleiben dem Leser verborgen. In dieser Hinsicht empfand ich Yuyas forsches Auftreten als Erleichterung, gelingt es ihm doch, Miyako nach und nach etwas aus seinem Gedankenkarussell heraus zu zwingen. Yuya kann man als gradlinige Figur begreifen, die entschlossen voranschreitet und den sehr aktiven Gegenpart zum lethargischen und verzweifelten Miyako bildet. Während Miyako in dem ihn quälenden Gefühlschaos verharrt und es nicht wagt, reinen Tisch zu machen und Atsuya zum Beispiel seine Gefühle zu gestehen, tut Yuya eben genau dies: Er arbeitet über Jahre hart an sich und seinen Fähigkeiten, um Miyako letztendlich selbstbewusst gegenübertreten zu können und ihm seinen größten Wunsch zu erfüllen – der Besitz eines speziellen Rings vom Schießstand des Jahrmarkts in der Heimatstadt der beiden.
Ich muss zugeben, dass die Szene, in der Yuya Miyako den Ring überreicht und ihm seine Liebe gesteht, mich gepackt hat, obwohl das natürlich ein ziemlicher kitschiger Einstieg in die Handlung ist. Aber in diesem Fall empfand ich das plötzliche und sehr frühe Liebesgeständnis als sehr angenehmen Kitsch. Es ist einfach wahnsinnig romantisch, wie Yuya seit seiner Kindheit jedes Jahr auf den Jahrmarkt geht und das Schießen übt, bis es ihm endlich gelingt den Hauptpreis zu gewinnen: Einen Ring, der für Miyako eine starke symbolische Bedeutung hat: Er ist die Versinnbildlichung der Bindung, die Miyako sich mehr als alles andere wünscht, die er aber aufgrund seines Geschlechts niemals wird eingehen können – die Verlobung oder Hochzeit mit Atsuya. Dieses Bewusstsein, dass alles hätte anders kommen können, wenn er als Frau geboren worden wäre, quält Miyako und lässt ihn den eigenen Körper und die eigene Sexualität als Last empfinden, die seinem Glück im Wege steht. Yuya hingegen hat seiner seiner Kindheit, wie er Miyako gesteht, nur Augen für diesen was sich da zu Beginn des Manga entwickelt, ist beinahe eine echte Dreiecksbeziehung – eine, in der der Auslöser allen ‚Übels‘, Atsuya, gar nichts von seiner Rolle weiß. Yuyas Aufgabe ist es daher fortan, Miyakos Herz für sich zu gewinnen. Und das versucht er mal auf die harte, mal auf die zarte Tour, leider sehr lange Zeit ohne wirklichen Erfolg. Wie sich Miyakos Sein völlig auf Atsuya ausrichtet, so dreht sich Yuyas Welt um Miyako, weshalb wir auch über Yuya wenig erfahren, was über seine Gefühle für Miyako und seine äußeren Lebensumstände hinausgeht.
Hier verschenkt Meine erste Liebe etwas von seinem Potential, obwohl der Manga teilweise doch mit einigen poetischen Ansätzen aufwarten kann. Die beiden Ringe, die das symbolische Zentrum des Werks bilden, stehen für die Eheverbindung, die besonders Miyako sich wünscht. Der Ring ist für ihn ein Sehnsuchtsobjekt, das einerseits seinen innigsten Wunsch spiegelt, andererseits aber gleichzeitig die Unerreichbarkeit des selben darstellt. Das selbe trifft für Yuya zu, jedoch schreitet dieser als Figur aktiv voran, um sich seinen Wunsch zu erfüllen, während Miyako in Untätigkeit verharrt. Von diesem Aspekt abgesehen, fangen die Ringe im Titelbild des Manga natürlich auch gut das Setting des Werkes ein: Die Hochzeitsthematik steht im Mittelpunkt und es läuten wirklich einige Hochzeitsglocken, sowohl in der Realität als auch sinnbildlich. Das bedeutet für den Leser viel Tüll, Blumen, Herzchen und Brautpaare. Man muss schon aufpassen, dass das Gehirn an einigen Stellen nicht in einer rosaroten Wolke aus Herzchenkonfetti verpufft *zwinker*. Ich muss auch ganz ehrlich zugeben, dass mir die Schlüsselszene im letzten Drittel des Manga etwas zu viel von allem war und der offensichtliche und überhaupt nicht mehr dezenten Kitsch doch Überhand nahm. Besagte Szene fand ich hoffnungslos überzeichnet und die guten Ansätze wurden – für mich persönlich – hier etwas zunichte gemacht. Ihr müsst euch beim Lesen hier jedoch selbst eine Meinung bilden, denn sonst würde ich an dieser Stelle das Ende des Manga verraten und das möchte ich nicht *wink*.
Davon abgesehen, dass man vielleicht noch darüber streiten könnte, warum die beiden schwulen Protagonisten ausgerechnet Stylist und Model sein müssen und hier erneut einige Klischees grüßen lassen, wartet der Manga mit einer zentralen und überraschend reifen Lebensweisheit auf: Man soll nicht an Vergangenem festhalte, wenn die Situation in der Gegenwart eine andere ist und es keine Hoffnung auf Revidierung gibt. In den Manga sind viele Metaphern eingeflochten, die mir sehr gefallen haben. Miyako hütet in seiner Wohnung viele Gegenstände, die ihn an Atsuya und ihre gemeinsame Jugend erinnern, wie Artefakte in einem Museum. Dadurch, dass Miyakos Gefühle an diese Gegenstände gebunden sind beziehungsweise im diese stets wieder ins Bewusstsein rufen, ist es ihm unmöglich, sich von diesen zu lösen. Yuya vergleicht sich mit den Objekten, die in Miyakos Leben eine nur geringe Bedeutung haben und fragt sich, was er tun muss, um einen Platz in dessen Herz zu erobern. Auch hier wird der Ring am Ende zu einem Symbol, das Yuyas Platz an Miyakos Seite nicht nur körperlich oder räumlich, sondern auch geistig veranschaulicht. Trotz dieser stellenweisen Tiefe blieb mir am Ende ein etwas zwiespältiger Beigeschmack: Es hat sich mir nicht wirklich erschlossen, weshalb Miyako sich in Yuya verliebt. Yuyas Gefühle sind beständig und nachvollziehbar, wenngleich sie zu Beginn etwas sehr Besitzergreifendes haben und die Figur Miyako wie einen seltenen und sehr hübschen Edelstein zu betrachten scheint, den sie unbedingt für sich möchte. Miyako und der Ring sind quasi die einzigen Objekte aus Yuyas Vergangenheit, die er nicht aufgeben kann. Miyakos Gefühle bleiben hingegen rätselhaft. Liebt er Yuya, weil er seinem großen Bruder so ähnlich sieht? Liebt er Yuya, weil er mit ihm seinen Traum von einer Beziehung verwirklichen kann, in der er tendenziell den weiblichen Part übernimmt? Wird damit seine Sehnsucht nach Romantik und Liebe innerhalb einer Partnerschaft gestillt? Diese Fragen werden – für mich – letztendlich nicht schlüssig beantwortet. Ich frage mich, auf welcher Ebene hier eine Seelenverwandtschaft bestehen soll, wie sie der blaue Faden auf dem Cover symbolisieren will. Miyako und Yuya bilden nach meinem Geschmack eher eine Schicksalsgemeinschaft, die durch diverse Umstände zusammengehalten wird. Insgesamt finde ich es aber wirklich schön, dass der Manga die Bedeutung der Eheschließung für Paare in den Mittelpunkt stellt und damit die Diskussion anstößt, warum dieses Glück heterosexuellen Paaren vorbehalten bleiben soll. Es ist etwas schade, dass dieser Gedankengang nicht bis zum Ende durchgehalten wird, sondern der Ring hier zum bloßen Glücksbringer herabgewertet wird.
Fazit
Meine erste Liebe ist ein Manga für die Romantikerinnen unter uns, denen es in BL-Werken phasenweise gar nicht kitschig und rosa genug sein kann, die aber trotzdem Wert auf sehr explizite oder gar pornographisch angehauchte erotische Szenen legen, denen die Zensur kaum Abbruch tut. Der Manga von Iroha Megu besticht durch sehr schöne und leichte Zeichnungen und ein Artwork, das gekonnt mit Symbolen und Metaphern spielt, wenngleich es den Figuren etwas an authentischer Mimik mangelt. Das in Ansätzen gelungene Charakterdesign versinkt an vielen Stellen leider etwas in Klischees und Kitsch und lässt am Ende einige wichtige Fragen offen. Letztendlich kann aber beruhigt zugreifen, wer attraktive männliche Hauptfiguren mit tollen Körpern bevorzugt, die in Hinblick auf ihr Verhalten tendenziell dem klassischen Uke-Seme-Schema entsprechen und den Leser trotzdem hin und wieder zu überraschen wissen. Die kleinen Schwächen des Werks werden mehr als ausgeglichen durch den Umstand, dass die emotionale Bedeutung der Eheschließung für Paare in den Mittelpunkt gestellt wird und Meine erste Liebe die Frage aufwirft, warum dieses Glück heterosexuellen Paaren vorbehalten bleiben soll. Wie viele Intentionen, die die Mangaka mit ihrem Werk verfolgt haben mag, fehlt jedoch die letzte Konsequenz, um diesen Gedanken bis zum Ende durchzuhalten und so vermischt er sich mit einigen anderen Ansätzen, die dem Werk ein wenig die Stringenz nehmen. Dennoch handelt es sich um einen sehr soliden Debütmanga, der Lust auf mehr macht.
Jaa mata ne, eure Amaya!
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