Titel: On Doorstep

Genre: Boys‘ Love, Drama, Romance, Slice of Life, Age Gap

Zeichnungen / Story: CTK

Bände: One Shot

Verlag: KAZÉ

Erscheinungsjahr des 1. Bandes: 2018

Seiten: 178

Erotische Szenen: ❤

Kazé Manga ist in Hinblick auf Leseproben wirklich ein Branchenvorbild und stellt euch
hier eine zur Verfügung.

Der November neigt sich dem Ende entgegen und ich habe wieder fleißig an einem neuen Beitrag für euch gebastelt, in dessen Genuss ihr heute kommt (das soll jetzt allerdings nicht nach Selbstlob klingen). Im Übrigen gibt es außerdem zwei dezente, aber für euch vielleicht nützliche Neuerungen in der Reihen-Beschreibung (ok, wirklich ’nützlich‘ ist wohl nur eine davon *zwinker*): Zum Einen habe ich mir vorgenommen, in Zukunft die Seitenzahl der Manga mit anzugeben, über die ich schreibe. Das hat keinen tieferen Sinn, aber ich finde es selbst immer praktisch, wenn ich mich über Bände und Reihen im Netz schlau mache, deshalb will ich es ab diesem Beitrag auch für mich integrieren. Es schadet ja nicht, wenn man vor dem Kauf weiß, ob das Rendezvous mit dem Objekt der Begierde eher ein One Night Stand oder etwas Dauerhafteres wird (um mal die Klaviatur des BL-Vokabulars zu bespielen). Die zweite meiner beiden ‚Innovationen‘ wird euch allerdings wahrscheinlich als erste ins Auge gesprungen sein – die gelben Sternchen, die bisher den Erotik-Faktor eines Manga enthüllt haben, sind weg und ich greife stattdessen auf den Seme des jeweiligen Werks zurück. Ich wollte das schon länger so umsetzen, da ich die Sternchen-Bewertung eigentlich echt old school finde, aber irgendwie habe ich es in den letzten Monaten dauernd vergessen. Aber heute, heute ist der große Tag! Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich kurz versucht war, auf kleine Penis-Darstellungen zurückzugreifen, aber mein Verstand hat mich dezent darauf hingewiesen, dass es eventuell nicht schadet, einen kleinen Rest Seriosität zu wahren, weshalb die Penisse (leider) den Kürzeren ziehen mussten *hust*. Ich weiß noch nicht, ob die Auflösung der Website für meine grandiose Idee mit dem Seme ausreicht, aber falls nicht, werde ich mir beim nächsten Mal noch einmal ein anderes Motiv überlegen (nein, keine Penisse!).

Da wir das nun geklärt haben, will ich mich dem heutigen Hauptdarsteller widmen, der da heißt: On Doorstep. Ich muss sagen, dass ich KAZÉ, was Manga anbelangt, lange gar nicht bewusst auf dem Zettel hatte beziehungsweise mit dem Media-Verlag (bisher) eher (teure) Anime-Veröffentlichungen assoziiert habe. Aber seid das Haus unter anderem Der Klang meines Herzens verlegt, hat es sich mit seinen seltenen, aber wohl gewählten BL-Publikationen einen kleinen Platz in meinem Herzen erschlichen und neben erwähnter Reihe von Kemeko Tokoro und mehreren Titeln der Mangaka Asou Kai folgte vor Kurzem zu meiner großen Freude On Doorstep. Ich habe den Manga schon laaange im Auge und konnte mein Glück darüber kaum fassen, dass jetzt ein weiterer Herzenstitel von mir in Deutschland erscheinen sollte. Da ich seit knapp zwei Monaten direkt an der Quelle wohne, stand ich pünktlich zum Veröffentlichungsdatum im Manga-Store meines Vertrauens und verließ diesen mit einer prall gefüllten Tüte (wie ihr euch vorstellen könnte, ist natürlich nicht nur On Doorstep in meinem Stoffbeutelchen gelandet *zwinker*). Der Manga ist nicht so komplex und vielschichtig wie zum Beispiel Maiden Rose oder düster wie In These Words oder gesellschaftskritisch wie It’s the Journey not the Destination, aber er erzählt trotzdem eine für einen One Shot-BL-Manga ungewöhnlich sozialkritisch angehauchte Story, die von einem fantastischen Artwork begleitet wird und wohl eines der gegensätzlichsten Paare im Boys‘ Love-Universums präsentiert. Freilich, an manchen Stellen geht der Realitätsbezug der Handlung ein wenig ‚in die Wupper‘, aber die Lektüre lohnt sich nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die / der Mangaka in weiten Abschnitten gekonnt die furchterregenden Gewässer Namens Kitsch und Klischee umschifft und eine Geschichte entfaltet, welche vielleicht dem gängigen BL-Storytelling folgt, davon abgesehen jedoch alles andere als gewöhnlich ist.

Inhalt

Jimmy schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Ohne richtigen Schulabschluss und von den falschen Freunden umgeben, ‚verdient‘ er sich sein Geld als geschickter Taschendieb, der auf seinen Beutezügen keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lässt. Eines Tages wird er beim Klauen in der Bahn von Reese Heyman erwischt, der nicht lange fackelt und Jimmy kurzerhand dingfest macht. Unser düster wirkender Rebell hat allerdings Glück im Unglück: Statt ihn der Polizei zu übergeben, verspricht Reese Jimmy laufen zu lassen, wenn er einen Tag im „Golden State Bookstore“ aushilft, in dem Reese als Buchhändler arbeitet und wo das Personal gerade knapp ist. Jimmy ist Reese jedoch zunächst alles andere als dankbar und bricht nach einem harten Arbeitstag aus Rache in dessen Wohnung ein. Bevor Jimmy sich mit seiner Beute aus dem Staub machen kann, muss er allerdings feststellen, dass Reese bis vor gar nicht all zu langer Zeit Polizist beim NYPD (New York Police Department) war. Erschrocken über diese Entdeckung, verlässt Jimmy die Wohnung überstürzt und unverrichteter Dinge. Leider hinterlässt er dabei einen sehr eindeutigen Hinweis auf Reese Fußmatte. Jimmy ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, dass er Reese auch ohne einen Diebstahl erheblichen Schaden zugefügt hat. Dieser ist von einem Einbruch, bei dem sein Partner brutal getötet wurde, schwer traumatisiert und quittierte aus diesem Grund seinen Dienst beim NYPD.

Als Jimmy durch eine Freundin von dieser Geschichte erfährt, beschließt er, sich an Reese Fersen zu heften, um den Ex-Polizisten im Blick zu behalten und einem Verdacht gegen seine Person entgegenzuwirken. Jimmy ist klar, dass er im Gefängnis landen wird, wenn Reese herausfinden sollte, wer in seine Wohnung eingebrochen und ihn zu Tode verängstigt hat. Aus Mangel an Alternativen nimmt unser Taschendieb eine Aushilfsstelle in dem ihm wohlbekannten Buchladen an und wird damit Reese Kollege. Langsam dämmert es Jimmy schließlich, dass er nicht nur in Reese Nähe sein möchte, um ihn zu überwachen – er hat sich längst in diesen labilen und verschlossenen Mann verliebt und fürchtet sich davor, was geschehen wird, wenn Reese tatsächlich irgendwann herausfinden sollte, dass es Jimmy war, der auf solch kriminelle und respektlose Weise in seine Privatsphäre eingedrungen ist. Allen Widerständen zum Trotz geschieht zunächst das sowohl Erhoffte als auch Unerwartete: Die beiden in Alter, Optik und sozialem Stand so unterschiedlichen Männer werden ein Paar und genießen eine kurze und unbeschwerte Zeit, während der Reese sich Jimmy langsam öffnet. Doch es kommt letztendlich natürlich, wie es kommen muss: Einige unbedachte Worte von Jimmy lassen Reese erkennen, dass sein neu gewonnenes Glück auf einer Lüge fußt. Zornentbrannt und tief verletzt weißt er Jimmy von sich. Obwohl die Lage aussichtslos erscheint, beschließt Jimmy sein Leben zu verändern und um Reese Liebe zu kämpfen. Seine Vergangenheit zu verarbeiten und Jimmy zu verzeihen, scheint jedoch nichts zu sein, was in Reese psychischen Kräften steht. Gibt es tatsächlich noch eine Chance für die Liebe zwischen einem Kleinkriminellen und einem Ex-Polizisten?

Artwork / Gestaltung

On Doorstep besticht vor allem durch sein wundervolles Artwork. Was mir besonders gefällt, ist, dass ein dezenter Hauch Nostalgie durch den Manga zu schweben scheint. Es ist nicht so offensichtlich, dass es einem sofort ins Auge fallen würde oder das man das Gefühl an bestimmten Gestaltungsmitteln festmachen könnte, aber der Buchladen und Reese Kleidungsstil lassen die Atmosphäre an einigen Stellen eine etwas weltentrückte Stimmung annehmen, als stünden die Figuren außerhalb der Gesetze von Raum und Zeit. Wenn man die Farbseite zu Beginn des Manga betrachtet und in die blassen Gesichter von Reese und Jimmy blickt, bekommt man beinahe den Eindruck, in einer etwas in die Jahre gekommenen Vampir-Romanze stecken geblieben zu sein. Die Charaktere würden ohne Weiteres einen Platz im Film Interview mit einem Vampir finden. Besonders Jimmy gäbe wegen seines leicht altmodisch angehauchten Gothic-Looks einen hervorragenden Blutsauger mit scharfen Reißzähnen ab. Reese wirkt aufgrund seiner hellblonden Haare und seines steifen Kleidungsstils mit gestärktem weißen Hemd und Strickpullover sowie Mantel wie ein echter Gentleman aus den 50er Jahren. Ihn umgibt eine leichte James-Dean-Aura, könnte man sagen. Ich habe die ganze Zeit drauf gewartet, dass Reese und Jimmy zusammen einen heißen Rock’n Roll aufs Parkett legen (und damit meine ich nicht im Bett)! Überhaupt ist das Figurendesign in On Doorstep außergewöhnlich gut gelungen, und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes. Reese zu betrachten, hat mich innerlich auf faszinierende Art zur Ruhe kommen lassen. Wie von Jimmy bereits früh bemerkt, strahlt Reese eine sehr erwachsen wirkende Gelassenheit aus und sein häufig durchscheinendes und vielleicht etwas trauriges Schmunzeln lässt ihn auf spitzbübische und sehr anziehende Art und Weise unfassbar attraktiv wirken. Ich kann auf jeden Fall verstehen, warum Jimmy sich in Reese verguckt hat *hust*…

Und dann das Rauchen! In vielen BL-Manga werden die Hauptfiguren (mit Vorliebe die Seme) von den Mangaka großzügig mit dem nikotinhaltigen Genussmittel ausgestattet, denn scheinbar gilt das Ziehen am Glimmstengel im japanischen Kulturkreis immer noch als das Merkmal eines lässigen Bad Boys (diese These konnte ich bisher leider nicht verifizieren). Wo sich in Deutschland die Raucher wie Aussätzige vor den Kneipen- und Firmentüren des Landes herumdrücken und hektisch an der Zigarette ziehen, um wieder ins Warme zu kommen, sind rauchende BL-Figuren in den Augen ihrer Schöpfer vor allem eines – ziemlich cool! Auf den Punkt gebracht: Manche Charaktere qualmen wie ein Schlot und wären sicherlich längst an Krebs gestorben, würden ihre Lungen nicht aus Papier und schwarzer Copic-Tinte bestehen. Manchmal nervt mich die erzwungene Ausstrahlung, die die Zigarette einer Figur verleihen soll, aber nicht bei Reese. Es gibt niemanden, der mit so viel Grazie und Eleganz raucht wie Reese Heyman *schmacht*! Und diese grazilen Hände und Finger, die so wunderschön gezeichnet sind und die Zigarette wie einen Aquarell-Pinsel halten…

Gut, jetzt bin ich völlig vom Thema abgekommen *räusper*. Reese Hände haben gegen Ende des Manga jedenfalls noch genug Zeit, um über Jimmys Körper zu streichen. Ich wollte stattdessen noch etwas zum Zeichenstil schreiben. Ich war auf der ersten Seite etwas hin und her gerissen, ob das Artwork in On Doorstep mir wirklich in Gänze zusagt, da ich keine Freundin von diesen extrem hart und schwarz kolorierten Zeichnungen bin (Jimmys Haare und seine Kleidung), die einem Motiv schnell seinen Zeichencharakter und seine Struktur rauben und es wie einen Druck aussehen lassen, aber meine Bedenken wurden bereits mit dem ersten Blick auf Reese vollkommen zerstreut. Die Zeichnungen sind unglaublich filigran und fein konturiert und gerade der auffällige visuelle Kontrast zwischen dem zeichnerisch hart umgesetzten Jimmy und dem beinahe transparent wirkenden Reese verdeutlicht bereits, dass sich hier zwei auch sozial vollkommen unterschiedlich gestellte Männer begegnen. Auch der große Altersunterschied zwischen den beiden Figuren wurde von CTK optisch dezent, aber dennoch offensichtlich genug dargestellt: Reese ist sicherlich der einzige Mann im Universum, den Augenschatten noch attraktiver machen als er ohnehin schon ist. Jimmys und Reese Alter wird zwar nicht explizit erwähnt, aber indirekt spricht Reese den Age Gap im letzten Drittel des Manga an, indem er sich selbst als „Vaterfigur“ bezeichnet. Die Zeichnungen wirken insgesamt sehr gefestigt und zielgerichtet und überhaupt nicht skizzenhaft, aber bei näherer Betrachtung und in den Porträtzeichnungen offenbart sich dem Leser, dass die / der Mangaka mit unheimlich feinen Linien und Schraffuren arbeitet, die sich in mannigfaltiger Zahl überlagern und so die scheinbar geschlossenen und kräftigen Outlines erzeugen. Diese Technik erlaubt sehr detaillierte Schattierungen beziehungsweise erfordert diese sogar, denn ohne ausreichend Schraffuren würde zum Beispiel der ohnehin schon ‚luftig‘ wirkende Reese beinahe verschwinden. Die Gesichter bilden eine faszinierende Mischung aus Komplexität und Einfachheit ab. Während viel Arbeit in die lebensechte Umsetzung der Augenpartie investiert wurde und ich auf ganzer Linie den verführerischen Katzenblicken von Reese *sabber* und Jimmy verfallen bin, ist die Mundpartie beinahe lächerlich einfach gehalten worden, man kann auch sagen – sie besteht aus einem Strich. Auf eine völlig verrückte Art und Weise habe ich die fehlende Lippenpartie jedoch selbst in den Kussszenen nicht vermisst. Die beiden Gegensätze fügen sich im Gegenteil zu einem sehr harmonischen Gesamtbild zusammen und ich bin sogar ganz froh, dass den Figuren nicht noch Lippen à la Junko verpasst wurden (z.B. Konbini-kun), denn durch die ohnehin zarte Linienführung wirkt vor allem Reese bereits weich genug. Ich ziehe an dieser Stelle meinen Hut vor der / dem Mangaka, die / der es bei aller Zartheit des Artworks trotzdem noch schafft – besonders in Hinblick auf Reese – die Figuren nicht feminin erscheinen zu lassen. Man könnte höchstens statuieren, dass Jimmy aufgrund der intensiv schwarz gerahmten Augen wirkt, als würde er Kajalstift benutzen, was seinem Gesicht vielleicht einen weiblichen Touch verleiht, aber ich habe das nicht als störend empfunden, da es insgesamt zu seinem gruftig angehauchten Kleidungsstil passt. Wir haben leider nur eine einzige Gelegenheit, zu der wir die beiden Figuren ohne Oberbekleidung zu Gesicht bekommen, aber auch hier war ich vom Detailreichtum und der Schönheit der Zeichnungen überwältigt. Ich meine, schaut euch diese Bilder an: Körper wie zwei antike Götter! Von mir aus hätte der Manga am Strand in Afrika spielen können, dann hätte ich mehr von diesen hoch vollendeten Kunstwerken zu Gesicht bekommen *schmacht*!

Mir gefällt außerdem sehr, wie ausdrucksstark in den Zeichnungen die Mimik umgesetzt wurde. An einigen Stellen mag sie beinahe übertrieben wirken, aber der Leser bleibt zu keinem Zeitpunkt darüber im Unklaren, wie Reese und ganz besonders Jimmy empfinden. Reese ist vom Typ her eher eine introvertierte Figur und zeigt in der Regel nicht viel Regung, aber Jimmys Gesicht kann man Lesen wie ein offenes Buch und seine Emotionalität und Offenheit verblüfft – gerade aufgrund seines sozialen Hintergrunds – zuweilen den Leser. Wie in Manga typisch, werden einige Reaktionen von Jimmy überspitzt und mit viel Humor dargestellt, aber ich war erleichtert, dass dies immer der Situation angemessen umgesetzt wurde und nie lächerlich wirkt. Vielmehr erhalten diese Szenen dem Manga eine gewisse Unbeschwertheit und verhindern, dass das Drama all zu dramatisch wird.

Die Hintergründe und Farben sind balanciert gesetzt. Die wenigen Grautöne, die bei der ‚farblichen‘ Gestaltung zum Tragen kommen, verleihen dem Werk Ruhe und Ausgewogenheit und detaillierte Hintergründe werden nur eingefügt, wenn die Szene solche erfordert. Sollen die Figuren und ihre Emotionen im Mittelpunkt stehen, wird auf die Gestaltung des Backgrounds sogar gänzlich verzichtet, was es dem Leser ermöglicht, seine Konzentration vollkommen auf die wunderschönen Porträtzeichnungen zu fokussieren. Was mich manchmal etwas gestört hat, war die starke Abgrenzung der Sprech- und Denkblasen. Wenngleich die dicken schwarzen Rahmen eine deutliche Struktur verleihen, treten sie für meinen Geschmack hierdurch an einigen Stellen doch zu deutlich in die primäre Wahrnehmung des Lesers hinein und lenken etwas von den filigranen Zeichnungen ab. Die Panele sind teilweise auf sehr kreative Art und Weise angeordnet, was eine willkommene Abwechselung zur klassischen Strukturierungs-Methode darstellt, bei der sich Viereck an Viereck reiht. So kann die Größe der Panele sehr flexibel an die jeweilige Zeichnung angepasst werden und es sind interessante Kombinationen möglich, in denen Bildausschnitte aneinander gereiht erscheinen und den Blick des Lesers auf Details und symbolhafte Gesten lenken. Dem Lesefluss wird mittels dieser Methode sehr viel Dynamik verliehen. Was mir zudem wirklich sehr gefallen hat, sind die Dialoge (beziehungsweise die Übersetzung). Obwohl es zu teilweise sehr emotionalen Sznen zwischen Jimmy und Reese kommt, wirken die Wortwechsel niemals kitschig, übertrieben oder gar lächerlich, sondern bleiben angenehm authentisch. Romantisch und auch witzig und gefühlsbetont, aber niemals schnulzig! Ich kann es gar nicht zu oft herausstellen: Eine wirklich sehr angenehme Abwechselung. Mir rollen sich nämlich regelmäßig die Fußnägel auf, wenn ich mich mal wieder durch einen der schnulzigen Dialoge in einem BL-Manga von Tokyopop gequält habe *zwinker*. Ich meine, es ist ja schon ein offensichtlicher Unterschied, wenn es im japanischen Original heißt „Ich will sehen, wie du den Verstand verlierst, wenn du in mich stößt“ und Tokyopop daraus macht „Ich will sehen, wie deine Vernunft aussetzt und du mit den Hüften wackelst“ (das Beispiel stammt übrigens aus dem Manga Unser unstillbares Verlangen) *hust*… Ein weiteres und letztes gestalterisches Detail, was mir in On Doorstep positiv ins Auge gestochen ist, ist, dass in der Szene, in der Reese die Trennung von Jimmy zu verarbeiten versucht und emotional und räumlich am weitesten von ihm entfernt ist, nicht die Panele schwarz gefüllt sind, sondern die Seiten, auf denen diese angeordnet werden. Diese Dunkelheit, die Reese psychischen Zustand symbolisiert und alles zu verschlingen scheint, lichtet sich, sobald Reese und Jimmy einander auf der Arbeit begegnen. Es ist die einzige Stelle, die im Manga auf diese Art gestaltet wurde und sie visualisiert optisch wundervoll den emotionalen Tiefpunkt der Handlung.

Erotik

Der Hauptteil von On Doorstep verfügt, ganz nüchtern betrachtet, nicht über besonders viele erotische Szenen. Wohlgemerkt, erotisch. Das schließt nicht die romantischen Stellen ein, von denen es wiederum mehrere gibt, denn der Manga zieht eine ganz klare Trennlinie zwischen Romantik und Erotik. Ich war etwas ‚erbost‘ darüber, dass der erste Sex zwischen Jimmy und Reese zeichnerisch leider völlig ausgespart und in den Manga lediglich ein kleines einzelnes Panel eingefügt wurde, welches mit der enthaltenen Zeichnung explizit genug das Geschehene andeutet, ohne wirklich zu zeigen, dass gerade der Geschlechtsakt vollzogen wird / wurde. Man kann nun natürlich argumentieren, dass ein guter BL-Manga auch ohne Sex auskommt und ich wäre nicht ich, würde ich diesem Argument grundsätzlich widersprechen, aber gerade in dieser Szene fand ich es schade, dass man als Leser die erste leidenschaftliche gemeinsame Nacht des frisch verliebten Pärchens verpasst. Eventuell wurde diese Aussparung jedoch bewusst vorgenommen, da in direkter Anknüpfung an diese Stelle der Bruch zwischen Reese und Jimmy erfolgt und die / der Mangaka die Trennung als vorläufigen emotionalen Höhepunkt des Dramas setzen wollte, und nicht die Sex-Szene, nach welcher der Spannungsbogen sicherlich deutlich abgefallen wäre. Nichtsdestotrotz werden in den Zeichnungen einige intime Momente zwischen Reese und Jimmy eingefangen, die mich aufgrund ihrer Zartheit sehr berührt haben. Reese wirkt in diesen Szenen so zerbrechlich und verletzlich und man spürt deutlich, dass er sich Jimmy nach und nach zu öffnen beginnt und ihn einen Blick in sein in Qual erstarrtes Herz werfen lässt. Die zaghaften Offenbarungen lassen den Schmerz, den Reese über Jimmys Vertrauensmissbrauch empfindet, in einem umso stärkeren und härten Kontrast hervortreten.

Gerade diese stillen oder emotionalen Szenen sind es, die eine der herausstechenden Stärken von On Doorstep darstellen. Der erste Kuss zwischen Jimmy und Reese ist eindeutig meine Lieblingspart. Im Gegensatz zu anderen BL-Manga ist hier nichts überzeichnet oder läuft mit viel Lärm und großem Getöse ab, wenn der Seme über den erschrockenen und unvorbereiteten Uke ‚herfällt‘. Jimmy tut, was eben seine Art ist: Er küsst Reese unerwartet, aber auf eine sehr direkte und unaufgeregte Art, als wäre es etwas Selbstverständliches und Natürliches, diesen nächsten Schritt zu gehen. Und Reese ist zwar durchaus überrascht von Jimmys energischer Einforderung, aber seine ansonsten so erwachsene Ausstrahlung verschwindet völlig und legt einen verwirrten und etwas unsicheren Mann frei, der sich wahrscheinlich seid langer Zeit nach einer solchen Liebe gesehnt hat. Mir hat an dem Manga überhaupt sehr gefallen, dass der Uke nicht ständig und vor jeder intimen Begegnung mit dem Seme der Welt panisch schreiend und lauthals mitteilen muss, dass er auf gar keinen Fall schwul oder bi sei, obwohl der zumeist auf diese Äußerung folgende Vorgang eindeutig das Gegenteil belegt. Vor allem Reese und Jimmys Gesichtsausdrücke nach dem Kuss sind wunderschön umgesetzt worden. Jimmys zärtliches Lächeln und Reese verwirrter und etwas sehnsüchtiger Blick drücken aus, was die beiden wohl in diesem Moment realisieren und erkennen: Dass sie den jeweils anderen wirklich lieben und dass sich das von Reese bisher als eher kollegial betrachtete Verhältnis in eine Beziehung mit echten Gefühlen zu wandeln beginnt. Dieser BL-Manga überzeugt also besonders mit seinen stillen und leisen Szenen, in denen man als Leser auf jeden Fall zum Mitschmachten eingeladen wird. Aber alles vollkommen kitschfrei, das kann ich euch versprechen!

Die sexuellen Spannungen zwischen den beiden Männern, die primär von Jimmy ausgehen, werden sehr schön in einer weiteren Szene eingefangen, die mein Herz erobert hat: Jimmy kniet vor Reese am Boden (nein, nicht wegen dem, was ihr jetzt denkt *zwinker*) und fährt mit seinen Fingern auf sehr erotische Art und Weise zwischen Reese Hosensaum und den Rand seiner Schuhe. Sexy kann On Doorstep also auch (nur leider viel zu selten). Wenn ihr über den scheinbaren Mangel an Sex bisher enttäuscht wart, kann ich euch jedoch beruhigen. Dem Hauptstrang der Geschichte werden zwei Bonuskapitel nachgestellt, in denen es dann auch endlich heißt und hemmungslos zur Sache geht und wir vor allem Jimmys breiten und muskulösen Rücken betrachten dürfen. Bitte mehr davon, hätte ich beim Lesen gerne herausgeschrien *hust*. Die wahrscheinlich nachträglich entstandenen erotischen Szenen demonstrieren jedoch auch, dass es sich bei On Doorstep zwar um einen BL-Manga handelt, der Sex allerdings eher eine sehr untergeordnete Rolle einnimmt und die / der Mangaka vielmehr Wert darauf legt, die emotionale Verbindung zwischen Reese und Jimmy zu entwickeln und darzustellen. Betrachtet man die Gesamtkonzeption, driftet der Manga inhaltlich eher in Richtung eines Shōnen Ai-Werks, bei dem weniger die sexuelle und mehr die geistige Verbindung zwischen den beiden Figuren im Fokus steht. Das finde ich insgesamt allerdings nicht nachteilig, denn ein One Shot im BL-Genre muss neben einer plausiblen Handlung, für die eh schon wenig Raum bleibt, auch noch ausreichend Sexszenen enthalten, um den Ansprüchen der Leser gerecht zu werden. Ausufernde erotische Szenen schränken den aufgrund des Umfangs ohnehin schon geringen Spielraum jedoch weiter ein und dies führt oft dazu, dass die Handlung überhastet und viel zu gerafft vorangetrieben wird. Zwischen der allerersten Begegnung von zwei Figuren und dem ersten Sex sowie der unvermeidlichen Beziehungskatastrophe liegt in manchen BL-Manga daher gefühlt nur ein Augenzwinkern. Diese unsicheren Gewässer umschifft On Doorstep hingegen recht geschickt und wir finden zum Glück keine forcierten Sexszenen, die irgendwie fehl am Platz und wenig intim wirken, obwohl das Titelmotiv förmlich „SEX! SEX! SEX!“ schreit *zwinker*.

Der letzte Punkt, der mir in Hinblick auf den Erotikfaktor in On Doorstep sehr zugesagt hat, ist das Spiel mit den typischen Seme- und Uke-Stereotypen. Reese Figurendesign entspricht – realistisch betrachtet – optisch eigentlich eher dem Seme-Schema (zumindest aus meiner persönlichen Sicht): Er wirkt reif und erwachsen und ist offensichtlich sehr viel älter als Jimmy. Außerdem ist er (Ex)Polizist, was auf einen dominanten oder autoritären Charakter mit festen moralischen Wertvorstellungen hindeutet. Seine verschlossene Art lässt Reese geheimnisvoll und unnahbar wirken und er setzt sich in seiner Vorstellung Jimmy gegenüber in eine Art Vaterrolle. Reese kann nicht glauben, dass der jüngere Mann tatsächlich ein romantisches beziehungsweise sexuelles Interesse an ihm haben könnte. Jimmy erscheint visuell zwar als gefährlicher Draufgänger und ist groß und muskulös, dabei allerdings wesentlich jünger als Reese und er verfügt aufgrund seiner Karriere als Kleinkrimineller über keinen nennenswerten sozialen Status. Die beiden so unterschiedlichen Männertypen machen es nicht von Beginn an offensichtlich, welcher den Part des Uke übernehmen wird. Wegen seiner manchmal unbeholfenen bis naiven Art, die vielleicht seinem Alter geschuldet ist, habe ich tendenziell Jimmy als Uke betrachtet. Aber BL-Manga leben in dieser Hinsicht gerne von scheinbar offensichtlichen Widersprüchen, weshalb ich schnell eines Besseren belehrt wurde: Jimmy ist der aktive Partner, der sehr zielstrebig und beinahe aufdringlich um Reese wirbt und eine Entschlossenheit an den Tag legt, die sich erst im weiteren Verlauf der Handlung als elementarer Zug seines Charakters offenbart. Die Ursache für diese Rollenverteilung kann letztendlich am grundlegenden Persönlichkeitselement der beiden Hauptfiguren festgemacht werden. Reese ist ein eher passiver Charakter, der im Stillen erduldet und leidet, ohne sich seiner Umwelt mitzuteilen oder um Hilfe zu bitten. Die traumatische Erfahrung, den Tod seines Partners, verschließt er in sich und versucht zu verdrängen statt zu verarbeiten. Reese übernimmt in der Beziehung aus diesem Grund den devoten und hinnehmenden Part. Jimmys Figurendesign basiert auf dem Konzept der Aktivität. Er manövriert sich gerne in Problemsituationen hinein, die er jedoch durch aktive Bewältigungsstrategien meistern und überwinden kann. Er ist in der Beziehung die lenkende Kraft, die Richtung und Tempo vorgibt und daher den Part des dominierenden Seme übernimmt.

Figuren / Handlung

Obwohl Jimmy und Reese optisch und in Bezug auf ihren sozialen Status nichts gemeinsam haben, gibt es doch ein Merkmal, welches sie teilen und das sie auf abstrakter Ebene verbindet: Beide Figuren sind auf die ein oder andere Art Ausgestoßene. Jimmy hat aufgrund seines kriminellen Hintergrunds einen gesellschaftlichen Außenseiterstatus inne und Reese ist, seit er den Polizeidienst quittiert hat, ebenfalls sozial isoliert, was nicht zuletzt aus seinem Trauma resultiert. Der entscheidende Unterschied ist, dass Reese Isolation für Außenstehende, die nicht zu seinem engeren Freundes- oder Vertrauenskreis gehören, verborgen bleibt. Während Jimmys Ausgeschlossen-Sein auf seiner äußeren Erscheinung und ausgeübten ‚Berufstätigkeit‘ fußt und somit für jeden klar erkennbar ist, bleibt Reese objektiv in die gesellschaftlichen Strukturen integriert, obwohl er innerlich eine Art stille Emigration vollzogen hat. Aus den angeführten Gründen finde ich die Idee des Manga, die beiden Figuren auf dieser Basis miteinander in Interaktion treten zu lassen, sehr interessant und für ein BL-Werk ungewöhnlich. Zwar gibt es durchaus Manga, die sich mit außerhalb der sozialen Norm stehenden Figuren und ihren Beziehungen auseinandersetzen (als Autorin wäre hier besonders Miyamoto Kano zu nennen, die Mangaka von Touch of Pain), aber generell zählen diese Storyboards in diesem Genre nicht zu den häufig erzählten Geschichten. Obwohl On Doorstep die all zu dramatischen Elemente unter einer gut dosierten Prise Humor verbirgt, scheint doch an manchen Stellen still und heimlich ein sehr trostloser Schimmer durch, der vor allem Reese fragilen psychischen Zustand andeutet. Wie tief traumatisiert und einsam Reese wirklich ist, offenbart sich besonders in einer Szene nach der Trennung von Jimmy, die uns einen kurzen und gleichzeitig einzigen Einblick in seine privaten Lebensumstände gewährt. Der Leser sieht eine erschreckend kalte und dunkle Wohnung, die alleine mit Reese Schmerz und seinen bitteren Tränen gefüllt wird. Dass Reese nicht viele oder sogar gar keine engen Freunde zu haben scheint, zeigt sich daran, dass er sich als Versuch, um nicht mehr an Jimmy denken zu müssen, mit ehemaligen Arbeitskollegen trifft. Er muss jedoch schnell feststellen, dass er diesen Menschen, mit denen ihn nun nicht einmal mehr der Beruf verbindet, nicht mehr viel zu sagen hat. Plötzlich erscheint der attraktive und augenscheinlich sozial gut integrierte Reese als Randfigur, die ähnliche Erfahrungen durchlebt wie Jimmy. Während Kano Miyamoto zum Beispiel nicht den Versuch unternimmt, die zerrütteten Biographien ihrer Figuren zu verschleiern und Qual und Schmerz unverhüllt offen legt, wählt CTK allerdings einen gemilderten Weg, der den Leser emotional nicht überfordert und bei aller Ernsthaftigkeit einen heiteren Grundton erhält. Damit verschenkt der Manga etwas von seinem dramatischen Potenzial, aber die beiden Hauptfiguren sind nichtsdestotrotz ein vom Schicksal zusammengeführtes Paar, welches sowohl an der Stärke als auch an den Qualen des jeweiligen Partners wachsen kann. Jimmy ist es, der trotz der äußerst schwierigen sozialen Ausgangssituation wieder Licht und Wärme in Reese Leben bringt.

Reese ist von beiden Figuren die interessantere Persönlichkeit, wie ich persönlich finde, wenngleich Jimmys Design durch seine Entschlossenheit und Charakterstärke besticht. Der Ex-Polizist ist insgesamt eine ernste und introvertierte Figur, die trotzdem eine gewisse Wärme und Fürsorglichkeit ausstrahlt, wenngleich Reese wenig emotional veranlagt ist und seine Gefühle sich hinter einer manchmal etwas ausdruckslosen Fassade zu verbergen scheinen. Obwohl er physisch eine durchaus imposante Erscheinung mit autoritärer Ausstrahlung ist, hat insbesondere der Verlust seines Partners beim NYPD Reese zerbrechliche und fragile Natur entblößt, einen tief in ihm verborgenen Kern, den Jimmy nach und nach freilegt beziehungsweise zu fassen versteht. Jimmys Gefühle nimmt Reese, obwohl er mit ihm bereits nach einiger Zeit intim wird und eine Beziehung eingeht, nicht für voll. Wie sich gegen Ende des Manga zeigt, ging Reese innerlich (vielleicht eher unbewusst) lange davon aus, dass er für Jimmy eine Art Vaterersatz darstellt, der dessen fehlende Bezugsperson kompensiert. Im Endeffekt bedeutet diese Annahme, dass Reese die Beziehung zu Jimmy in weiten Abschnitten nicht ‚für voll‘ genommen oder sich vielleicht nicht völlig darauf eingelassen hat, was mich in Anbetracht der intimen Szenen doch verblüfft und etwas irritiert hat. Diesen Konflikt schreibe ich dem großen Altersunterschied zwischen den beiden Figuren und Reese verschlossenem beziehungsweise wenig kommunikativen und passiven Charakter zu und nicht einer schlecht durchdachten Struktur des Manga. Jimmy hat seine Gefühle für und die Beziehung zu Reese stark forciert und diesem wenig Raum zu Reflexion gelassen, weshalb ich durchaus nachvollziehen kann, dass Reese im Werk lange Zeit des Analysierens und Nachdenkens benötigt, um sich mit seinen eigenen Gefühlen zu Jimmy auseinanderzusetzen und überhaupt klar darüber zu werden, dass Jimmy wirkliche und echte Liebe zu ihm empfindet, nicht als Vaterfigur, sondern als Liebhaber. Ohne die Offenheit seines Gegenparts Jimmy, der seine Gefühle zum Glück deutlich zu kommunizieren weiß und sich nicht schwer damit tut, seinen Emotionen auch verbal Ausdruck zu verleihen, wäre die Beziehung sicher an Reese Zweifeln gescheitert, auch ohne das Zerwürfnis über Jimmys Einbruch.

Trotz einer wenig glücklichen Kindheit und eines zerrütteten sozialen Umfelds, welches zwar nur angedeutet wird, der Leser sich aber erdenken kann, ist Jimmy eine überraschend positive Persönlichkeit mit großer Entschlossenheit und großem Mut, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz einen heiteren und sehr offenen Charakter bewahrt hat. Vielleicht ist es fernab der Realität und sicherlich etwas geschönt, aber ich fand es wundervoll anzusehen, wie Jimmy durch den Kontakt zu Reese nach und nach wieder in die Gesellschaft eingebunden wird und durch langsam einsetzende Selbstreflexionsprozesse damit beginnt, seinem Leben eine 180-Grad-Wende zu geben. On Doorstep demonstriert damit nämlich vor allem eines: Welchen enormen Einfluss es auf einen aus dem kriminellen Milieu stammenden Menschen haben kann, wenn er nicht Vorurteilen ausgesetzt wird, sondern andere ihm offen begegnen und das Gefühl vermitteln, dass er wegen seiner in vielen Fällen sicher nicht selbstverschuldeten Herkunft und Biographie keinesfalls abgelehnt und vorverurteilt wird, sondern als wertvolles Mitglied der Gesellschaft betrachtet wird. Jimmy jedenfalls gehört zu diesen Menschen und unter Reese positivem Einfluss und (Achtung, kitschiger Satz!) der Kraft der Liebe blüht er langsam auf und beginnt damit, seinen bisherigen Lebensstil aktiv zu hinterfragen beziehungsweise als falsch anzuerkennen. Ich finde übrigens die Stelle einfach wundervoll, in der Jimmy Reese gegen Ende ganz offen seine Gefühle gesteht. Es wird hier ganz deutlich, dass er den so viel älteren Polizisten nicht wegen des Lebensstils oder den materiellen Vorteilen liebt, die dieser ihm bieten kann. Auch nicht aufgrund seines Aussehens oder weil er eine potenzielle Vaterfigur in ihm sieht, sondern alleine wegen seiner Art, einfach Reese Heyman zu sein. Das war eines der schönsten, aufrichtigsten und am wenigsten kitschigsten Liebesgeständnisse, die mir in einem BL-Manga bisher unter die Augen gekommen sind und ich garantiere euch, Jimmy wird euer Herz in dem Moment zum schmelzen bringen *zwinker*! Wenn mir etwas an seinem Charakterdesign gefällt, dann ist es vor allem seine entwaffnende Ehrlichkeit, mit der er sein Herz auf der Zunge trägt, und seine zu Weilen beinahe unbeholfen wirkende und naive Art, die einen völlig vergessen lässt, dass da ein schwarz gekleideter und eigentlich ziemlich bedrohlich wirkender junger Mann vor einem steht. Um es einmal kurz und knapp aus den Punkt zu bringen: Die Beziehung zwischen Reese und Jimmy ist einfach wahnsinnig süß! ‚Tschuldigung, ich musste dieses Wort jetzt einfach einmal benutzen.

Eine Schwäche des Manga sind die hin und wieder etwas holprigen Übergänge, welche aber sicherlich dem eingeschränkten Umfang des Werks geschuldet sind beziehungsweise der Tatsache, dass es sich um einen One Shot handelt. On Doorstep ist eines der sehr guten Beispiele dafür, dass es die inhaltliche Qualität eines solchen Manga im Allgemeinen bereits steigern täte, wenn er als zweibändige Reihe konstruiert und publiziert werden würde. In einem Moment wird Jimmy gerade Reese Arbeitskollege, im anderen sitzen die beiden auf einer Parkbank und Jimmy erkennt plötzlich aus dem Nichts heraus, dass er dabei ist sich in Reese zu verlieben. Alleine mit dieser Tatsache wird der Leser überrumpelt, denn es gibt vorher eigentlich keinen augenscheinlichen Hinweis darauf, dass Jimmy ein sexuelles oder romantisches Interesse an Reese haben könnte oder überhaupt darauf, dass er homosexuell ist. Der letzte Aspekt trifft im Übrigen auch auf Reese zu und ich war mir lange Zeit noch nicht einmal sicher, ob Reese tatsächlich schwul ist oder lediglich nicht das Bedürfnis verspürt, sich gegen Jimmys Anmachversuche aufzulehnen. Wobei dieser Umstand andererseits wieder sehr erfrischend ist, denn das Thema Homosexualität wird sehr entspannt behandelt und steht – im Gegensatz zu dem Sozialdrama – absolut nicht im Vordergrund, was natürlich auch dem Ort der Handlung geschuldet sein dürfte – der Manga spielt in New York. Jimmy und Reese versuchen nicht wirklich ihre Liebe zu verstecken und nach einer zufälligen Begegnung mit einer Arbeitskollegin gibt Reese ganz offen und unumwunden zu, dass Jimmy und er ein Paar sind. Die Homosexualität der beiden Hauptfiguren wird nicht künstlich aufgebläht, wie es in anderen BL-Werken der Fall ist, wenngleich dies bedeutet, dass diesbezügliche gesellschaftliche Problematiken ebenfalls ausgeblendet werden. Aber da ist es wie im realen Leben: Zum Glück ist Homosexualität nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Problem, sondern wird manchmal auch wundervoll undramatisch aufgenommen. Von dieser Stelle an fiebert jedenfalls der gesamte Golden State Bookstore mit Jimmy und Reese mit und ich konnte mich wirklich sehr gut in die Perspektive der Angestellten hineinversetzen, die die Beziehungskrise wie eine Real-Life-Opera hautnah miterleben – im Herzen ging es mir nicht anders *zwinker*.

Fazit

On Doorstep ist ein sehr überzeugender BL-Manga aus dem Hause KAZÉ, der unvorhergesehene Sprünge in der insgesamt runden und innovativen Handlung mit einem eindrucksvollen, gefestigten und filigranen Artwork, schönen und völlig kitschfreien Texten und einem herrlich widersprüchlichen und erfrischenden Pärchen mehr als auszugleichen weiß. Der Manga eignet sich sehr gut für die Leser und Leserinnen unter euch, die durchaus auch ohne einen sexualisierten Haupthandlungsstrang auskommen können und neben der Dramatik Wert darauf legen, dass trotzdem der Humor und die kleinen und erheiternden Momente nicht zu kurz kommen. Ihr werdet ohne Zweifel mit ehrlichen Gefühlen, ungekünstelten Beziehungsproblemen und zwei extrem attraktiven und sehr gegensätzlichen (oder, in Hinblick auf Jimmy, extremen) Typen belohnt, die aus ihrer Homosexualität kein Geheimnis machen und zum Glück nicht den Stereotypen eines klassischen Uke-Seme-Schema folgen, sondern sich im Gegensatz recht losgelöst von diesem bewegen. Die romantischen Passagen sind eher rar gesät und es überwiegt das dramatische Moment, das soziale Unterschiede und psychische Konflikte in den Vordergrund rückt, aber die wenigen zärtlichen Szenen sind dafür umso intensiver gestaltet. Die Konflikte, die aus Jimmys biographischem Hintergrund und Reese Trauma erwachsen, hätten für meinen Geschmack noch weiter intensiviert werden können, aber hierfür bietet der One Shot leider nicht genug Raum und es musste eine Balance gefunden werden, die die typischen Elemente eines BL-Manga nicht zu sehr vernachlässigt. Wer Wert darauf legt, dass die Beziehung der beiden Hauptfiguren sich langsamer und damit realistischer entwickelt, dem würde ich empfehlen, sich doch eher an Reihen zu halten, die mindestens zwei Bände umfassen, wie zum Beispiel Given oder die beiden Hauptwerke von Shoko Hidaka (Hidden Flower und Ein melancholischer Morgen). Nüchtern betrachtet, dürfte On Doorstep wahrscheinlich eher die weiblichen Leser unter uns ansprechen, da auf Actionelemente, die vielleicht durch Reese Beruf und Vergangenheit suggeriert werden, vollkommen verzichtet wird und wirklich ausschließlich das Verhältnis von Jimmy und Reese zueinander im Mittelpunkt steht. Die Atmosphäre und Coolness, die das Titelmotiv ausstrahlt, wird grundlegend zwar mit transportiert, im Manga jedoch nicht bis zum Ende durchgehalten. Ich kann das Werk von CTK jedoch uneingeschränkt jedem ans Herz legen und euch versprechen, dass auch die Lektüre, wenn ihr das BL-Genre grundsätzlich mögt, nicht enttäuschen wird.

Jaa mata ne, eure Amaya!


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