TitelTouch of Pain / Amayakana Toge

Genre: Boys‘ Love, Drama, Romance, Slice of Life

Zeichnungen / Story: Kano Miyamoto

Bände: One Shot

Verlag: Carlsen Manga

Erscheinungsjahr des 1. Bandes: 2015

Erotische Szenen: ❤❤

Carlsen Manga verlegt den One Shot, aber leider gibt es ihn nicht mehr über die Verlagswebsite.

Heute war irgendwie kein guter Tag. Das Wochenende ist mir für ein Wochenende viel zu arbeitsreich und ich habe (mal wieder) viel zu wenig Zeit für die Dinge, die ich gerne tue. Aber in diesem Fall habe ich vor zwei Stunden zu meiner absoluten Geheimwaffe gegen Frust und negative Emotionen gegriffen: Kano Miyamoto! Ich weiß, dass man diese Mangaka und ihre Werke entweder wahnsinnig gut findet oder nicht besonders mag, weshalb ich sie definitiv als kontroverse Autorin einordnen würde. Ich persönlich bin aber Fan der ersten Stunde, weshalb ich – da ich Touch of Pain heute zum zweiten Mal gelesen habe – die Gunst der Stunde gleich nutzen und meinen wieder erlangten Seelenfrieden in einen Beitrag über diesen leisen und sehr anrührenden Manga fließen lassen will *zwinker*.

Inhalt

Kei Yagisawa ist Redakteur beim Bungei-Verlag. Eines Tages wird ein junger und aufstrebender Autor neu in das Betreuungsprogramm des Verlags aufgenommen. Auf Kei entfällt die Aufgabe, die redaktionelle Anleitung des Schriftstellers zu übernehmen. Nach einem gemeinsamen Abendessen kristallisiert sich schnell heraus, dass der neue Autor, der unter dem Pseudonym Izumi schreibt, nicht nur Interesse an Keis Fähigkeiten als Redakteur hat, sondern auch explizit erotische Absichten. Da beide Männer schwul sind, verbringen sie – aus Keis Perspektive nicht ganz freiwillig – eine heiße Nacht miteinander, an deren Ende Izumi Kei offenbart, dass er eigentlich Subaru Nakayama heißt und der Bruder von Keis erster großer Liebe, Wataru Nakayama, ist. Subaru, der vom ersten Moment an in Kei verliebt war, musste als Junge mit ansehen, wie sein älterer und bisexueller Bruder Kei schlimm misshandelte, sobald dieser bei den Nakayamas zu Besuch kam. Kei war als Schüler jedoch so verliebt in Wataru, dass er Gewalt und Schmerz über sich ergehen ließ, um in dessen Nähe bleiben zu können. Einzig die sich entwickelnden freundschaftlichen Gefühle für Subaru und dessen sorgenvolle Bemühungen und Schutzversuche gaben Kei zu jener Zeit etwas Halt. Die drei jungen Männer verloren sich aus den Augen, als Kei zum Studium nach Tokyo zog und damit auch den Misshandlungen durch Wataru entkam. Seit diesem Tag sind zwölf Jahre vergangen und nach ihrer erneuten Begegnung finden Kei und Subaru, der den hübschen jungen Mann von damals nie vergessen konnte, endlich zueinander. Doch Keis seelische Wunden sind nach all dieser Zeit immer noch nicht verheilt und so muss der junge Redakteur nicht nur Subaru zuliebe einen Weg finden, seine von Pein geprägte Jugend zu verarbeiten.

Noch eine Anmerkung am Rande: Touch of Pain ist zwar ein One Shot, doch wie bei fast allen Werken von Kano Miyamoto ist auch für diesen Manga der Umstand gegeben, dass er in einem Universum angesiedelt ist, in welchem die Inhalte unterschiedlicher Einzelbände miteinander agieren, das heißt, dass die verschiedenen One Shots über ihre Figuren beziehungsweise deren Arbeitsplatz oder Wohnort miteinander verbunden sind. Diese Verknüpfungen gestalten sich jedoch nur sehr lose und so muss man nicht zwingend alle Bände aus einem Universum gelesen habe, um einer Story folgen zu können. Die Parallelen ergeben sich vielmehr darüber, dass Kei und Subaru beispielsweise für den selben Verlag arbeiten wie Sahara aus Mann ohne Liebe. Auch Vanilla Star gehört – von den Manga, die bisher auf Deutsch erschienen sind – in diesen Zyklus.

Artwork / Gestaltung

Ich liebe Kano Miyamoto besonders für ihre ausdrucksvollen Porträtzeichnungen. Ihr sonstiges Artwork ist eher unauffällig, vor allem was die Hintergründe und Nebencharaktere betrifft, aber ihre männlichen Figuren haben eine feenhafte und feminin-zarte Erscheinung und sind von einer beständigen Transparenz umgeben, die mich beim Betrachten der Zeichnungen stets in ihren Bann zu ziehen vermag. Da ich neben BL-Manga vor allem Fantasy liebe und ein großer Tolkien-Fan bin, assoziiere ich mit den Figuren der Mangaka häufig die Elben.

Jedes Mal, wenn ich einen Manga dieser Autorin lese beziehungsweise betrachte, nehme ich mir bewusst Zeit, um richtig in dem wundervollen Artwork versinken zu können. Man könnte sagen, dass ich es in diesen Momenten mit jeder Pore meines Seins einatme und in ihm aufgehe. Oh Gott, ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu esoterisch und abgehoben *schwitz*. Das ist allerdings vielleicht auch der Grund dafür, weshalb Kano Miyamotos Werke einen so beruhigenden und erdenden Einfluss auf mich haben. Dabei sind die Geschichten selbst oft von Qual und Schmerz geprägt und es ist ein Markenzeichen der Mangaka, dass ihre Figuren sich nicht selten am Rande der Gesellschaft bewegen und es schicksalhafte Begegnungen voller Not sind, die die Charaktere aneinander ketten. Dabei gelingt es Kano Miyamoto jedoch, auf eine so einnehmend sensible Art und Weise die Perspektive ihrer Figuren einzunehmen und diese dem Leser zu vermitteln, dass das Handeln der Charaktere leicht nachvollzogen werden kann und sich dem Betrachter so auch schwierige Biographien erschließen. Denn viele Figuren sind eigentlich das, was wir im Volksmund „ganz schön kaputt“ nennen, sowohl körperlich als auch geistig. Sie kämpfen mit Krankheiten, Drogenproblemen, Misshandlungen, Prostitution und psychischen Problemen. Die Mangaka arbeitet allerdings in jedem Manga heraus, dass jene Problematiken erklärbar und damit wenige abstoßend werden, wenn man den biographischen Hintergrund der entsprechenden Figur vor Augen geführt bekommt. Der extrem empathische Zeichen- und Erzählstil ist es letztendlich, der mich den Charakteren von Kano Miyamotos Manga sehr nahe rücken lässt und mich jedes Mal aufs Neue tief im Herzen bewegt und berührt. Deshalb denke ich, dass man zwar ihren Zeichenstil nicht mögen kann, aber die Geschichten der Autorin trotzdem unbedingt lesenswert sind, insofern man leise und stille Manga mag, die beim Lesen auch einmal Schmerz verursachen können.

Bevor ich völlig abschweife: Der letzte Absatz sollte nur einige allgemeine Anmerkungen zu der Mangaka enthalten, damit ihr wisst, was ihr von Kano Miayamotos Werken erwarten könnte, wenn ihr zu einem solchen greift. Denn die wesentlichen Kernpunkte, die ich bisher genannt habe, lassen sich auf jeden ihrer Manga übertragen. An dieser Stelle will ich deshalb noch einmal auf das Artwork und die Gestaltung von Touch of Pain zurück kommen. Die bereits angedeutete Transparenz, die ich immer empfinde, resultiert auch in dem vorliegenden Manga aus der schlichten Einfachheit der Zeichnungen. Die Figuren sind eher skizzenhaft und minimalistisch gehalten und stechen nur durch ihre ausdrucksvollen Augen hervor. Diese Augen, die unter häufig sorgenvoll gerunzelten Brauen liegen, geben Kano Miyamotos Charakteren stehts einen leidenden und qualvoll wirkenden Gesichtsausdruck, der die tiefe Traurigkeit der Handlung reflektiert. Sehr individuell gelingen der Mangaka außerdem Zeichnungen in Profil- oder Halbprofilansicht, welche die wahnsinnig langen und transparenten Wimpern der Figuren offenbaren. Dies ist sicherlich der Aspekt, der den größten Anteil zu der besagten elfenhaften Wirkung der Protagonisten beiträgt. Eine gewisse Entrücktheit der Charaktere entwickelt sich auch durch den Umstand, dass, sobald die Gesichter der Figuren nicht mehr in Großaufnahme gezeigt werden können, hin und wieder die Gesichtsproportionen etwas seltsam wirken beziehungsweise gerne ein Auge weggelassen wird oder dezent unpassende Körperproportionen entstehen. Hier offenbart das Artwork der Mangaka leichte Schwächen, die mich persönlich jedoch nie gestört haben und meiner Vorliebe für Kano Miyamotos Werke keinen Abbruch tun.

Ich werde bezüglich Touch of Pain nichts weiter zu den Panelen schreiben, da diese sich weitestgehend unspektakulär und typisch für einen Manga gestalten und den üblichen Regeln der Branche folgen. Stattdessen würde ich gerne noch ein paar Zeilen zu den Textblasen beziehungsweise ihrem Inhalt an den Leser – euch – bringen *zwinker*. Mir gefällt in Touch of Pain besonders die Art und Weise, auf welche die Dialoge gestaltet sind. Einen richtigen Eindruck kann man sich erst verschaffen, wenn man den Manga selbst liest, aber die Kommunikation der Figuren ist sehr realistisch und dabei gleichzeitig emotional unglaublich intensiv gehalten, ohne überdreht oder surreal zu wirken. Trotz der diversen und komplexen Gefühle, die oft qualvoll für die Figuren sind und die in diesem Manga nicht nur in Bilder, sondern auch in Worte gefasst werden müssen, gelingt der Mangaka an vielen Stellen ein warmer Grundton, der witzige Alltagssituation auf die Schippe nimmt und den Leser kurz aus diesem Graben des Schmerzes hebt, in den er unweigerlich von den Figuren gestürzt wird. Den Manga prägen fast überwiegend alltägliche Dialoge, die sich um die Bewältigung des eigenen Lebens und die eigenen Gefühle und die des Partners drehen. Das die Handlung des Manga ausschließlich durch die Interaktion der Figuren angetrieben wird, verleiht ihm sehr viel Ruhe (vielleicht würde mancher oder manche von euch sagen: Langeweile *zwinker*) und vor allem eine große emotionale Tiefe. Diese Tiefe wird nicht nur durch die Sprechblasen, sondern auch durch ‚Gedankenkästchen‘ hervorgerufen, die vor allem Keis verborgenste Gedanken artikulieren und wie ein Leitfaden den Manga durchziehen. Oft reichen der Mangaka hier wenige Sätze, um einen emotionalen Zustand auf den Punkt genau zu artikulieren.

Als gelungenen Kunstgriff erweist sich die Technik der Mangaka, den Manga abwechseln aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen, nämlich der von Subaru und der von Kei. Hierdurch ist es dem Leser möglich, den Blickwinkel beider Figuren nachzuvollziehen beziehungsweise einzunehmen und den Manga dadurch auf eine wirklich empathische Art und Weise – quasi in Innensicht – mitzulesen. Touch of Pain beginnt mit der Sichtweise des erwachsenen Keis, aus der sein erstes Treffen mit Subaru geschildert wird. Nachdem diese Verwicklung aufgelöst wurde, wechselt der Manga in die Perspektive des jungen Subaru, in welcher die Zeitspanne von der ersten Begegnung mit Kei bis hin zu dessen Weggang nach Tokyo erzählt wird. Der Leser reist also zwölf Jahre in die Vergangenheit, bevor er wieder in die Gegenwart zurückkehrt, in der Kei und Subaru nun ein Paar sind. Ihr Zusammenleben wird in einer Mischperspektive geschildert, in der nicht mehr erkennbar ist, welche der beiden Figuren den Blickwinkel dominiert. An das Ende des Manga sind noch einmal jeweils zwei getrennte Perspektiven von Kei und Subaru aus deren Jugendzeit angefügt, die mein Herz endgültig geschmolzen haben. Da es jedoch meine eiserne Regel ist, dass ich in einer Rezension nie das Ende eines Manga verrate, sind meine Lippen in dieser Hinsicht versiegelt *hehehe*!

Erotische Szenen

Die Gewalt im Manga, die Subarus Bruder Wataru ausübt, wird mit der großen Zärtlichkeit kontrastiert, die Subaru mit Kei teilt. Es gibt sehr viele Szenen, in denen die beiden sich sanft berühren, zum Beispiel im Gesicht, oder sich schützend vor den anderen Stellen, die mich tief berührt haben, vielleicht gerade, weil ihnen so schlimme Misshandlungen voraus gegangen sind. Es ist allerdings eine Erleichterung, dass der Manga sich auf die liebevollen und intensiven sexuellen Begegnungen zwischen Kei und Subaru beschränkt, sodass dem Leser – abgesehen von einer Rückblende – Keis sexueller Missbrauch erspart bleibt. Ich schreibe ganz bewusst „erspart“, da Kei wiederkehrend Opfer häuslicher Gewalt und einer Vergewaltigung wird, wenngleich er Wataru und dessen Gesellschaft immer wieder aus freien Stücken aufsuchte. Während in vielen BL-Manga Vergewaltigungen verharmlost werden beziehungsweise das Opfer dabei augenscheinlich sogar Lust empfindet und sich später in seinen Peiniger verliebt, bricht Touch of Pain mit diesem Klischee und demonstriert die harte Realität in Gestalt von Keis Figur: Der junge Redakteur, zur damaligen Zeit ein Oberstufenschüler, wird selbst zwölf Jahre nach den Misshandlungen noch von Albträumen und Schuldgefühlen geplagt.

Es gibt ein paar erotische Szenen zwischen Kei und Subaru, die vom Grundton her sehr zärtlich und leidenschaftlich gehalten sind, deshalb kann ich an diesem Punkt meiner Rezension konstatieren, dass in Touch of Pain bittersüßer Sex dominiert und alle Romantiker(innen) auf ihre Kosten kommen werden. Die Szenen an sich sind ausreichend explizit, aber nicht sehr ausgiebig gestaltet. Die Geschlechtsteile sind nicht zu sehen oder, wenn es sich nicht vermeiden lässt, sind sie zensiert. In der Regel beschränken sich die Sexszenen auf einige Panele bis hin zu maximal einer Doppelseite. Die Mangaka zeigt wenige Gesamtaufnahmen, sondern fokussiert sich bei der Auswahl der Zeichnungen auf einige Körperdetails beziehungsweise die lustvoll verzerrten Gesichter der Figuren (mit der entsprechenden Lautmalerei). Die Sexszenen des Manga passen insgesamt sehr gut in den Zusammenhang der Geschichte oder unterstützen diesen. Kano Miyamoto nutzt die erotischen Begegnungen der Figuren symbolhaft, um die aus der Not resultierende schicksalhafte Verbundenheit auch auf der körperlichen Ebene zu spiegeln. So sind die Charaktere nicht nur geistig, sondern auch physisch verbunden, das heißt, es liegt ein Berührungspunkt auf beiden Ebenen vor, der die tiefe Liebe und die zu Weilen ebenso vorliegende emotionale Abhängigkeit der Figuren reflektiert.

Aus meiner rein subjektiven Perspektive kann ich hierzu festhalten, dass ich generell eine Liebhaberin ausgiebiger erotischer Szenen bin, mir jedoch eine Zensur nichts ausmacht beziehungsweise ich keinen großen Wert darauf lege, dass mir nach dem Umblättern detaillierte Zeichnungen von Penissen ins Gesicht springen *zwinker*. Mir gefällt der Weg von Kano Miyamoto, die – wie im wahren Leben – eine erotische Stimmung grundlegend durch Bewegungen, Berührungen und Gesichtsausdrücke erzeugt und nicht mittels in der Weltgeschichte herumbaumelnder Genitalien *hust*. Ebenfalls sehr angenehm ist der Umstand, dass die Mangaka auf die Darstellung der Unmengen an Körperflüssigkeiten verzichtet, die in vielen BL-Manga beim Sex fließen. In Touch of Pain müsst ihr euch keine Sorgen machen, dass Subaru oder Kei aus den Panelen fließen, wenn sie sich miteinander im Bett vergnügen. Auch die ungesunde krebsrote Gesichtsfarbe des Uke bleibt dem Leser vorenthalten. Das dezente Erröten, das Kei und Subaru gelegentlich zeigen, wirkt hingegen ziemlich niedlich. Die genannten Aspekte sind allerdings allesamt Geschmackssache und jeder von uns findet andere Dinge erotisch, weshalb ich hier natürlich nicht für die Allgemeinheit sprechen kann.

Wenn man den Manga diesem Schema zuordnen möchte, wäre Subaru wohl der Seme und Kei der Uke, denn letzterer ist im Bett Bottom. Insgesamt tritt Subaru eindeutig als die in der Beziehung dominantere Figur auf, was sich besonders auch in der Eingangsszene des Manga offenbart. Diese Szene ist für mich ein kleiner Minuspunkt dieses tollen Manga, denn in dieser stehen sich Kei und Subaru zunächst als Fremde gegenüber. Subaru erpresst Kei mit dem Wissen um Details über dessen Liebesleben und die Affäre, die Kei mit seinem Chef führt, weshalb dieser sich von Subaru in ein Hotelzimmer lotsen und dort – nicht ganz freiwillig – von ihm vernaschen lässt. Nach dem Sex offenbart Subaru Kei seine wahre Identität und Kei – oh Wunder – erkennt Subaru auf der Stelle wieder und ist vom Fleck weg erneut in diesen verliebt, obwohl er ihn vor einer Stunde noch eher abstoßend und unheimlich fand. Hier hätte der Manga es auch bei einem normalen Treffen belassen können und nicht gleich mit einer erzwungenen Sexszene starten müssen, welche die Glaubwürdigkeit des Werks insgesamt etwas herabwertet. Doch von diesem kleinen Fauxpas abgesehen, ist vom klassischen Uke-Seme-Schema nicht viel zu spüren. Kei und Subaru führen eine gleichberechtigte Beziehung, wenngleich Subaru einen zuweilen etwas nachlässigen und fordernden Charakter hat.

Figuren / Handlung

Den psychologischen Plot des Manga fand ich sehr glaubwürdig und realistisch ausgearbeitet. Kei, der bereits als Schüler erkennt, dass er homosexuell ist, ist zum ersten Mal verliebt. Um sich die Gunst von Wataru zu ‚kaufen‘ beziehungsweise später nicht zu verlieren, nimmt er die Misshandlungen und sogar eine Vergewaltigung in Kauf. Diese Abhängigkeit das Opfers vom Täter findet sich oft in Fällen häuslicher Gewalt. Ganz reizend und als der völliger Gegensatz zu seinem Bruder agiert in dieser Situation Subaru, der sich seinerseits zum ersten Mal in einen Mann – Kei – verliebt hat und diesen nun nach Kräften beschützen möchte. Die Szene, in der Subaru Kei seine Liebe gesteht und ihn später verzweifelt fragt, was er denn nun tun solle, hat mich sehr angerührt, denn man merkt der Figur sehr deutlich an, dass sie mit der neu entdeckten sexuellen Neigung und der Konfliktsituation, in welche diese Subaru bringt, völlig überfordert ist. Obwohl Kei Watarus jüngerem Bruder ehrlich zugeneigt zu sein scheint, sind die beiden Jungen zu diesem Zeitpunkt geistig noch nicht bereit für eine Beziehung und so kommt es zum Bruch, der den Zeitsprung des Manga einleitet.

Neben der Gewaltausübung spielt auch der Umgang mit der eigenen Sexualität im Manga eine bedeutende Rolle. Obwohl Wataru unverzeihliche Handlungen an Kei vornimmt, bietet die Mangaka auch für dessen Verhalten einen Erklärungsansatz an: Der junge Mann lehnt – vielleicht aufgrund eines spezifischen Erlebnisses oder seines Elternhauses, dies erfährt der Leser nicht – die eigene Bisexualität ab und projiziert die eigenen negativen Gefühle, die sich gegen ihn selbst richten, auf Kei, der für seine Sexualität stellvertretend büßen muss. Am Ende des Manga erfährt Kei unter anderem von Subaru, dass Wataru ihn wirklich geliebt hat, diese Liebe aus Hass auf sich selbst aber nie zeigen konnte. Diesen Blickwinkel fand ich unsagbar empathisch, denn obwohl er nichts entschuldigt, zeigt er doch, dass Menschen ihren Handlungen immer psychologisch erklärbare Motive zu Grunde legen. Kei wiederum gibt sich auch Jahre später noch die Schuld daran, dass Subaru nur Männer lieben kann und es wird deutlich, dass auch Kei seiner Homosexualität nicht uneingeschränkt positiv gegenüber steht. Subaru ist im gesamten Manga das leuchtende Gegenstück, nicht nur zu seinem gewalttätigen Bruder, sonder auch zu Kei, indem er sich zu einem liebevollen jungen Mann entwickelt, der offen zu seiner Homosexualität steht und keine Probleme damit hat, sich selbst und diese anzunehmen. Überhaupt ist Subaru eine sensible, zielstrebige und manchmal etwas exzentrische Persönlichkeit, die uneingeschränkt lieben und lachen kann und Kei in diesem Sog einfach mitreißt. Die emotionalen Extreme seines Charakters tragen jedoch hin und wieder dazu bei, dass er sich selbst und sein Ziel aus den Augen verliert besonders in Situationen, in denen es um Kei geht. Seine Gefühle für diesen stellt er beinahe über seine eigenen Träume. Hier ist es dem rationalen, stillen und stets etwas pessimistisch eingestellten Kei überlassen, regulierend auf den Freund einzuwirken und seine überschäumenden Gefühle in die richtigen Bahnen zu lenken. Es ist daher kein Wunder, dass diese beiden Figuren sich nicht nur in ihrer Partnerschaft, sondern nach einigen Anfangsschwierigkeiten auch als Autor und Redakteur gut ergänzen.

Dadurch, dass die psychologischen Konflikte so sehr im Fokus stehen, gehen die individuellen Charakterzüge der Figuren hin und wieder unter. Dies ist nicht durchgehend der Fall, stellenweise wirken die Charaktere jedoch etwas schablonenhaft und austauschbar und besonders Wataru bleibt im gesamten Manga eher Objekt als wirkliche Figur der Handlung, da der Leser weder etwas über die Gründe für die Ablehnung der eigenen Sexualität noch seine später auftretende schwere Erkrankung erfährt. Subarus Bruder wird auf seine Funktion als Bestandteil der Biographie Keis reduziert, der psychisch erst zur Ruhe kommen kann, nachdem Wataru sich beim ihm für seine früheren Misshandlungen entschuldigt. Diese Entwicklung der Handlung fand ich schlussendlich ein wenig einfach, wenngleich sie natürlich zeigt, wie sehr die Erinnerung an einen Missbrauch im Opfer einer solchen nachwirken kann und wie wichtig für dessen geistige Integrität die Bitte um Verzeihung auch nach vielen Jahren noch sein kann. Reue zeigen und verzeihen – dass es dafür nie zu spät ist, demonstriert Kano Miyamoto mit diesem Werk eindrücklich.

Insgesamt mag ich an Touch of Pain, dass endlich einmal der Titel mit dem Inhalt korrespondiert. Während ich mich im Beitrag „Touch my Jackass“ von Scarlet Beriko noch darüber aufgeregt habe, dass der seltsame Titel keinen rechten Bezug zum Manga hat, lässt der Titel von Kano Miyamotos Werk sehr wohl Rückschlüsse auf den Inhalt zu beziehungsweise referiert auf diesen. Die Berührungen, die Kei als Schüler von Wataru über sich ergehen lassen musste, waren sicherlich qualvoll und haben – wie die Zigarette, die Wataru auf Keis Brust löscht – nicht nur Narben auf seinem Körper hinterlassen, sondern auch auf seiner Seele. Touch of Pain ist ein sehr dramatischer Manga, der jedoch mit Voranschreiten der Handlung zunehmend heiterer wird und etwas von seinem schmerzlichen Grundton verliert. Dies resultiert vor allem aus dem Umstand, dass Kei und Subaru gegen Ende so unfassbar glücklich miteinander sind und es dem geschundenen Leserherz sehr gut tut, aus den Seiten wieder etwas Glück extrahieren zu können.

Fazit

Für jeden Beitrag nehme ich es mir vor und jedes Mal scheitere ich glorreich: Einfach mal einen etwas kürzeren Blogpost schreiben! Ich fürchte, in diesem Leben wird mir das nicht mehr gelingen. Wenn ihr tapfer bis zum Ende durchgehalten habt oder – schlimmstenfalls – gleich ins Fazit gesprungen seid, will ich euch nicht enttäuschen und wenigstens hier das Wichtigste in Kürze wiedergeben: Touch of Pain ist ein Manga für alle BL-Leser und -Leserinnen, die sehr ruhige Manga mit einem (emotional) dramatischen und psychologisch fundierten Plot mögen, der dem Lesenden viel Mitgefühl und Einfühlungsvermögen abverlangt und neben einer ergreifenden Liebesgeschichte auch einige wenige, jedoch erschreckende Gewaltszenen zeigt. Neben bittersüßen, aber tendenziell weniger expliziten und umfangreichen Sexszenen überzeugt Kano Miyamoto in Touch of Pain mit elfenhaften Zeichnungen, sehr gelungenen Perspektivwechseln und wundervollen und aus dem Alltag gegriffenen Dialogen, die den Leser aufgrund ihrer Gefühlswucht mitten ins Herz treffen. Die vielen positiven Aspekte lassen einen gerne darüber hinwegsehen, dass das Charakterdesign mancher Figuren eher blass bleibt und die Eingangsszene des Manga etwas an Logik entbehrt. Erfrischend ist hingegen das fehlende Uke-Seme-Schema und der realistische und dezente Gehalt der erotischen Szenen, das heißt, es fließen keine Unmengen an Körperflüssigkeiten. Inhaltlich stehen die Themen (sexueller) Missbrauch, der Umgang mit Homo- und Bisexualität und die aus diesen beiden Aspekten resultierenden psychische Traumata im Fokus.

Jaa mata ne, eure Amaya!


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