Titel: Blood Loop

Genre: Boys‘ Love, Drama, Romance

Zeichnungen / Story: Aoi Levin

Bände: 2 / abgeschlossen

Verlag: Egmont Manga

Erscheinungsjahr des 1. Bands: 2018

Erotische Szenen: ❤❤❤

Eine weitere schöne Reihe von
Egmont Manga.

Heute will ich euch einen Manga vorstellen, von dem ich nicht so recht weiß, was ich von ihm halten soll. Er hat mich beim Lesen einerseits emotional sehr gepackt, andererseits fand ich ihn in Phasen – befremdlich. Das ist wohl das passende Adjektiv. Ich hatte mir Blood Loop gekauft, weil die Inhaltsangabe unheimlich viel Dramatik versprach, und ich habe eine sehr ausgeprägte Schwäche für dramatische und ernste BL-Manga. Damit mir ein Werk gefällt, gibt es (mich betreffend) eine recht simple Formel: etwas Spannung, gepaart mit viel Schmerz und noch mehr Emotionen. Dabei aber bitte realistisch. Wenn ich am Ende eines Manga entweder heule oder für mehrere Tage auf einer rosafarbenen (Gedanken)Wolke durch die Gegend schwebe, dann ist das bei mir ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich gerade einen ziemlich gelungenen Wurf gelesen habe. Aber auch hierbei gilt natürlich wieder: alles rein subjektiv. Nach der Lektüre von Blood Loop befand mein Gehirn sich jedoch in einem seltsam schizophrenen Zustand. Mehr dazu im Folgenden.

Inhalt

Takafumi und Shizuka sind nicht nur beste Freunde, Klassenkameraden und Nachbarn – sie sind in zwei Familien hineingeboren, die seit Jahrhunderten durch ein unauflösliches Abhängigkeitsverhältnis miteinander verbunden sind und diese Tradition mit in die Moderne hineintragen. Die Angehörigen von Shizukas Familie, die den Kajo-Clan bildet, dienten in der Vergangenheit als Vasallen und stehen in der Gegenwart noch in der selben engen Beziehung zu Takafumis Familie, dem Tokisada-Clan, wie es im alten Japan der Fall gewesen ist. Eine alte Legende aus dem Heimatstädtchen der beiden Jungen, die als Zeichnung auf einer Schriftrolle festgehalten wurde, besagt, dass die ersten beiden männlichen Oberhäupter der Familien gemeinsam zwei Drachen bekämpften. Die „Legende von den Zwillings-Drachen“ wird im Heimatarchiv der Stadt aufbewahrt und an der örtlichen Schule gelehrt. Hirofumi, Takafumis Vater, der das Archiv leitet, weißt Shizuka in einer Szene des Manga darauf hin, dass die unwahrscheinliche optische Ähnlichkeit der beiden jungen Männer aus der Legende den Anlass für das Gerücht bot, dass es sich bei diesen eigentlich um Zwillinge handele. Und tatsächlich sind die erstgeborenen männlichen Familienmitglieder einer jeden Generation des Kajo- und Tokisada-Clans auf eine Art miteinander verbunden, die weit über ein freundschaftliches Maß hinaus geht und dem Verhältnis nahe kommt, in dem eineiige Zwillinge angeblich zueinander stehen.

An Shizukas und Takafumis Schule ist es längst keine Besonderheit mehr, dass die beiden Jungen unzertrennlich und auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden sind und es zum Beispiel immer spüren, wenn der jeweils andere in Gefahr ist. Im Verborgenen gedeiht zwischen den beiden jungen Männern und ebenso ihren Vätern hingegen eine verbotene Liebe, von der niemand weiß und die ebenfalls seit Generationen innerhalb der Familie blüht. Einzig, um Nachkommen zu zeugen, gehen die Oberhäupter der beiden Clans die konventionelle Ehe ein und verzichten damit auf das Privileg der Liebesheirat. Shizuka und Takafumi richten nicht nur ihr gesamtes Leben und die eigenen Wünsche an ihrem Gegenüber aus, sondern finden während der Sommerferien auch auf sexueller Ebene zueinander. Die kurze und sehr glückliche Phase findet allerdings ein jähes Ende, als Takafumis Vater an Krebs erkrankt und der junge Mann sich plötzlich mit dem Zwang konfrontiert sieht, die Familienlinie als neues Oberhaupt fortführen zu müssen. Takafumi heiratet Shizukas Schwester und Shizuka selbst, nach einem Gespräch mit seinem Vater und Hirofumi von dem naiven und kindischen Irrglauben befreit, dass er und Takafumi tatsächlich zweieiige Zwillinge sind (da sie die selbe Blutgruppe haben und am selben Tag geboren wurden), verlässt zum Wohle von Takafumi und für dessen Glück die Stadt und geht mit einem geheimnisvollen Fotografen nach Tokyo.

Zwölf Jahre vergehen und im zweiten Band kehrt Shizuka endlich in seine Heimatstadt zurück. Doch ebenso wie die Stadt hat sich auch der junge Mann – mittlerweile ein erfolgreiches Model – stark verändert. Die Trennung vom mittlerweile geschiedenen Takafumi und der Gedanke daran, dass dieser einer anderen Frau gehörte, haben ihn seelisch stark gezeichnet und zerbrechen lassen. Takafumis Liebe hingegen ist unverändert stark und so beginnen die beiden eine zerstörerische Liebesbeziehung, die Shizuka an den Rand seiner psychischen Kräfte manövriert. Seine Existenz, so glaubt Shizuka, bedeutet für Takafumi endloses Leid, eben weil die beiden Männer sich lieben, einander aber niemals gehören können. Gibt es für Shizuka und Takafumi einen Weg, um doch zusammen bleiben zu können?

Artwork / Gestaltung

Die Inhaltsangabe war etwas länger als gewöhnlich, aber da es in der Geschichte viele Verwicklungen gibt und einige Hintergrundfakten existieren, wollte ich diese schon einmal mit anführen, da dadurch meine weitere Arbeit leichter wird, ihr meinem Text besser folgen könnt und der Manga insgesamt nachvollziehbarer wird. Das Artwork von Blood Loop hat mir auf Anhieb gefallen, obwohl es irgendwie von einer etwas grotesken Ästhetik ist. Die Outlines wirken teilweise wie mit einem dickeren Edding gezogen und generell scheinen die Zeichnungen nicht mit dem klassischen Bleistift angefertigt worden zu sein, sondern mit einem Fineliner oder ähnlichem. Es könnte an den gewählten Zeichenmaterialien liegen, dass der Mangaka somit die Möglichkeit genommen wurde, die Strichführung nachträglich mit einem Radiergummi zu korrigieren oder vielleicht hatte sie auch nie die Intention, eine einmal begonnene Zeichnung auszubessern, denn während die Outlines und Gesichtszüge der Charaktere relativ gefestigt wirken und sich nur selten mehr als zwei oder drei nachgebesserte Linien erkennen lassen, bestehen die Augen in den Porträtzeichnungen aus einer willkürlich wirkenden Ansammlung von Schattierungen und konfusen Strichen, mittels derer trotzdem klar und deutlich die Augenpartie der Figuren herausgearbeitet wird. Der insgesamt extrem skizzenhaft und unausgewogen erscheinende Zeichenstil bildet die Ursache dafür, dass sich in den Detailaufnahmen und Panelen, die nur einen kleinen Ausschnitt einer Szene abbilden, nur noch mit großen Schwierigkeiten ausmachen lässt, was dort eigentlich zu sehen sein soll beziehungsweise um welches Körperteil es sich handelt. Etwas ärgerlich gestaltet sich dies in den erotischen Szenen, da dadurch die genussvolle Betrachtung der Bilder unterbrochen und erschwert wird. Es ist jedoch ein Markenzeichen der Mangaka, dass ihre Zeichnungen deutlich nachgebesserte Linien erkennen lassen und damit die Charaktere eher wie grobe Entwürfe einer künftigen Figur wirken, was vor allem auch auf die Gesichter dieser zutrifft.

Ich denke, insgesamt ist Aoi Levins Artwork extreme Geschmackssache, denn neben der in Teilen willkürlich und nachlässig wirkenden Strichführung, die wenig Wert auf Exaktheit und dafür umso mehr auf die Sichtbarkeit des Entstehungsprozesses einer Zeichnung legt, sind auch die Körperproportionen der Figuren verhältnismäßig stark deformiert. Alles an ihnen erscheint lang, besonders die Gliedmaßen und der Oberkörper. Neben ihrer Länge sind Arme und Beine zusätzlich sehr dünn, was besonders Shizuka über alle Maßen zerbrechlich und kindlich wirken lässt. Im extremen Kontrast zu den eigentlich fragilen Gliedmaßen steht die gut ausgebildete Rumpfmuskulatur der männlichen Charaktere, die sich in den erotischen und unbekleideten Szenen offenbart. Ich weiß nicht recht, wie ich dieses Gefühl in Worte fassen soll, aber hin und wieder kamen mir Shizuka und Takafumi wie menschenähnliche Aliens vor. Die dünnen und gleichzeitig extrem bemuskelten Gliedmaßen, dazu der austrainierte und grotesk gekrümmte Oberkörper ohne Brustwarzen und Geschlechtsteile – dies alles erweckt den Eindruck, als ob es nicht mehr vollkommen menschlich wäre. Die Körper der Figuren bilden durch ihre Entwurfhaftigkeit zudem einen starken Kontrast zu den durchaus häufig vorkommenden Hintergrundzeichnungen, bei denen – im Gegensatz zu den Charakteren – sehr viel Wert auf Exaktheit und Realitätsnähe gelegt wurde. Ich persönlich finde, dass hierdurch in Blood Loop jedoch gelungen visualisiert wird, dass der Schauplatz des Manga der realen und uns bekannten Welt mit ihren Gesetzen zugeordnet werden kann, die Handlung und die Figuren aufgrund ihrer seltsamen und beinahe märchenhaften Beziehungen zueinander hingegen nicht mehr unbedingt in die wirkliche beziehungsweise gegenwärtige Welt gehören, da alte japanische Traditionen, die im 21. Jahrhundert immer seltener werden, im Manga eine tragende Rolle spielen und von etwas wie einer magischen Kraft des Blutes ausgegangen wird.

Die Panele fand ich insgesamt übersichtlich und angemessen platziert, wenngleich für meinen Geschmack hin und wieder zu viel Rasterfolie eingesetzt wurde, was die Augen des Lesers durch die intensiven und facettenreichen Grautöne und den Einsatz sämtlicher zwischen den Nuancen Schwarz und Weiß liegender Abstufungen teilweise überfordert beziehungsweise den Inhalt der Panele ein wenig unübersichtlich und konfus erscheinen lässt, besonders in Verbindung mit den sowieso schon chaotischen Zeichnungen der Figuren. Zudem hatte ich manchmal Schwierigkeiten dem Text zu folgen, denn neben den charakteristischen Sprech- und Denkblasen enthält Blood Loop sehr viel „Gedankenbeigabe“, wie ich die den Manga begleitenden Textelemente gerne nenne, die in vielen Werken die tiefsten Empfindungen und Gedanken einer Figur reflektieren und oft sehr abstrakter und poetischer Natur sind, weshalb sie nicht in Denkblasen organisiert werden und sich damit in den Dialog einfügen, sondern diesen losgelöst begleiten. Diese abstrakten Textelemente mit den tatsächlichen Dialogen zu verknüpfen und dabei nicht den Überblick zu verlieren, fiel mir aufgrund ihrer teilweisen Länge persönlich etwas schwer, wenngleich ich es liebe, wie viel psychologische Tiefe und Wahrheit diese Gedankenbeigaben in Blood Loop – für einen Manga – enthalten. Diese Textelemente und die generell extrem emotionalen und durchdachten Dialoge sind der Hauptgrund, weshalb ich das Werk gerne als Geheimtipp empfehle, wenn jemand einen Manga mit Texten sucht, die man interpretieren und aus denen man Schlussfolgerungen für die Handlung ziehen muss.

Erotische Szenen

Endlich wieder ein Manga, der den psychologischen Konflikt der Figuren vor allem auf der körperlichen beziehungsweise sexuellen Ebene reflektiert! Das bedeutet für uns, die wir Boys‘ Love-Manga lieben, dass es sehr viele erotische Szenen und nackte Männerhaut zu sehen gibt *zwinker*. Wobei ich an dieser Stelle ganz klar davor warnen muss, dass in Bloo Loop keine prickelnde Erotik anvisiert wird, sondern der Sex zwischen Shizuka und Takafumi – vor allem im zweiten Band – etwas zerstörerisches und wütendes auf der emotionalen Ebene transportiert und die Beziehung und den seelischen Konflikt der beiden Figuren ausdrückt beziehungsweise sich dieser in jenen Szenen entlädt. Wie bereits gesagt, fand ich es etwas schade, dass einige Detailzeichnungen im Manga aufgrund der unsteten Strichführung ziemlich unkenntlich sind, was den Genuss schmälert und den Betrachtungsfluss stört. Die Sexszenen sind insgesamt jedoch sehr schön umgesetzt und vor allem harmonisch durchkomponiert. Sie haben eine gute länge von mehreren Seiten und besonders gefallen haben mir die aufeinander folgenden Sequenzen, in denen Takafumi und Shizuka sich langsam einander zuwenden oder stürmisch übereinander herfallen. Die Mangaka fängt hier sehr gut die leidenschaftlich-intensiven Blicke und die zärtlichen oder fieberhaften Berührungen, die die beiden Jungen austauschen, in den Nahaufnahmen ein. Auch das Verhältnis zwischen Porträtaufnahmen und Szenen, in denen die Körper der Figuren, zum Beispiel beim Küssen, in Gänze abgebildet werden, ist ausgewogen. Hin und wieder ist sogar eine Einzelseite in den Manga eingefügt, die eine einzige Zeichnung vollkommen für sich beanspruchen darf und zumeist Shizuka und Takafumi in leidenschaftlicher Umarmung und eng verschlungen zeigt. Diese Einzelseiten sind es, die den Leser ganz deutlich das intensive körperliche Verlangen spüren lassen, das die beiden jungen Männer nacheinander fühlen.

Vom Grundgefühl her ist der Sex im Manga vom jeweiligen Band abhängig. Während Shizuka und Takafumi im ersten Band zu jungen Männern heranwachsen und nach und nach zu verstehen und zu entdecken beginnen, dass die intensive Verbindung, die die beiden zueinander haben, sich ebenfalls auf ihr sexuelles Verlangen und ihre Sexualität insgesamt ausdehnt, ist dieses Verhältnis im zweiten Band durch die räumliche langjährige Trennung der beiden Figuren stark gestört und wandelt sich in ein zerstörerisches Begehren des jeweils anderen. Im ersten Band entdecken die beiden Figuren, die sich hier noch in der Pubertät befinden, ihre sexuelle Orientierung und besiegeln und bestärken ihre Liebe durch den Sex nun auch auf der körperlichen Ebene. Ihre Seelenverwandtschaft ist nicht mehr auf die psychische Komponente beschränkt. Man könnte sagen, dass der erwachende Sexualtrieb ihre Beziehung komplettiert. Shizuka und Takafumi wachsen endlich zu einer vollständigen Einheit zusammen, sie „verschmelzen“ völlig miteinander, sowohl körperlich als auch geistig, wie Shizuka es während seines ersten Mals mit Takafumi ausdrückt. Dieses blinde Vertrauen und das Begehren des anderen führt dazu, dass die beiden Figuren, nun erwachsene Männer, sich im zweiten Band in ein zerstörerisches Verhältnis stürzen. Da durch die lange Separierung die geistige Nähe nicht mehr gegeben ist und besonders Shizuka sich charakterlich sehr verändert hat, entlädt sich die schicksalhafte Verbindung, die nach wie vor zwischen den beiden Figuren besteht, in hemmungslosem und beinahe besinnungslosem Sex. Während dieser zuvor die Verbindung der beiden Jungen auf eine höhere Ebene transportiert hat, reduziert er ihr Verhältnis nun auf eine rein körperliche Beziehung und stillt notdürftig die Seelenqual, die beide Männer nach ihrem Wiedersehen empfinden. Die emotionale Wucht des schmerzhaften Begehrens wird im zweiten Band wirklich wundervoll intensiv von der Mangaka umgesetzt. Shizuka und Takafumi können kaum die Finger voneinander lassen und verbringen gemeinsam ganze Tage eingeschlossen in Takafumis Zimmer. Was sie dort treiben, brauche ich euch sicher nicht zu sagen *hust*…

Charakterlich und visuell finden wir in Bloo Loop ein recht ausgeprägtes Uke-Seme-Schema. Beide Figuren sind schlank gebaut, aber Takafumi ist wesentlich größer als Shizuka und wirkt mit seinen kürzeren Haaren etwas maskuliner als der zarte und feminine Shizuka, der besonders als junger Mann durch seine großen Augen und die schulterlangen schwarzen Haare wie ein Mädchen erscheint. In der Beziehung ist Takafumi zudem ganz eindeutig der Part, der „die Hosen an hat“. Er dominiert Shizukas Denken und Handeln und sogar dessen Wünsche in jeder Hinsicht und dieser unterwirft sich Takafumis ‚Anordnungen‘ nur all zu gerne. Ich fand es jedoch sehr angenehm, dass Shizuka – im Gegensatz zu vielen Uke in anderen Manga – gerne passiv ist und nicht mit Gewalt in diese Rolle gezwungen wird. Obwohl man es als befremdlich wahrnehmen kann, wenn Takafumi von Shizuka als seinem Besitz spricht, agiert dieser im Manga nichtsdestotrotz aus freien Stücken und fordert Takafumi sogar aktiv dazu auf, ihn noch mehr zu vereinnahmen. Ich glaube, ich brauche an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen, dass Shizuka im Bett selbstverständlich Bottom ist. Eine Zensur der Sexszenen wird von der Mangaka übrigens geschickt umgangen, indem sie gar nicht erst Geschlechtsteile abbildet. So wirken Shizuka und Takafumi zwar hin und wieder wie seltsam geschlechtsneutrale Wesen, aber objektiv betrachtet, passt das recht gut zu ihrer etwas weltentrückt (oder außerirdisch *zwinker*) wirkenden Erscheinung. In Bezug auf die Sexszenen fand ich die angesprochenen Gedankenbeigaben und die Dialoge übrigens wirklich erotisch, ohne, dass diese sich komisch lesen oder man sich bei der Lektüre eigentlich lieber fremdschämen würde.

Figuren / Handlung

Wenn man sich ein wenig in der japanischen Kultur auskennt, dann wirkt die Handlung in einigen Aspekten realistisch. Die uralte Tradition der Familienclans wird in Blood Loop ebenso angeschnitten wie der innerhalb von diesen herrschenden Zwang, die Blutlinie der Familie durch männliche Nachkommen fortzuführen. Diese strenge Regelung, die in Shizukas und Takafumis Familien seit Jahrhunderten praktiziert wird, ist es, die die Beziehung der beiden Figuren zunächst zerstört. Ich denke, eine Intention des Manga ist es, diese Zustände kritisch zu beleuchten, denn tatsächlich gibt es in Japan immer noch arrangierte Ehen, wenngleich diese mittlerweile eine Minderheit bilden, und Homosexualität kann nicht so offen gelebt werden, wie dies zum Beispiel in Deutschland der Fall ist. Obwohl die Väter von Shizuka und Takafumi um die homosexuelle Beziehung ihrer Söhne wissen, eben, weil sie füreinander das Selbe empfinden, bestehen sie darauf, dass Takafumi Shizukas Schwester Ayako heiratet, um nach dem Tod des schwer krebskranken Hirofumi die Familienlinie des Tokisada-Clans fortführen zu können.

Mit großer Sicherheit hätte Takafumi sich diesem Befehl des Vaters wahrscheinlich nicht gebeugt, jedoch kommt ein weiterer Umstand hinzu, der Shizuka dazu veranlasst, die Stadt und seinen Freund zu verlassen: Shizuka und Takafumi befinden sich im Manga lange Zeit in dem Glauben, dass sie tatsächlich Zwillinge sind, die nach der Geburt in zwei unterschiedliche Familien gegeben wurden, da im Tokisada- und Kajo-Clan Zwillinge verabscheut werden, wie es die Legende von den Zwillingsdrachen besagt. Die beiden Figuren haben nämlich am selben Tag Geburtstag und verfügen zudem über die selbe Blutgruppe, obwohl Shizukas Eltern beide eine andere Blutgruppe haben als dieser. Shizuka glaubt, dass Takafumi ihn aufgrund dieses Glaubens liebt und seine Gefühle schwinden könnten, wenn er die Wahrheit erfährt, die ist, dass die beiden Jungen nicht miteinander verwandt sind. Von der Grundidee her mutet dieser Gedankengang vielleicht etwas pervers an, wenn man bedenkt, dass Shizuka und Takafumi in diesem Bewusstsein miteinander schlafen, aber ich schiebe das jetzt mal auf den jugendlichen Leichtsinn, die Hormone und darauf, dass ihr Eins-sein für die beiden Jungen von klein auf etwas völlig natürliches war und immer noch ist. Im Glauben der beiden Jungen erzeugen sie beim Sex das, was sie eh schon sind: eine Einheit. Außerdem, so stellt sich im zweiten Band heraus, wusste Shizuka, dass Takafumi seinen kranken Vater unendlich geliebt hat und er den Freund in der ohnehin schon schweren Situation nicht vor die Wahl stellen wollte, sich zwischen ihm und dem letzten Wunsch seines Vaters entscheiden zu müssen. So geht er mit einem Fotografen, der vom ersten Augenblick von Shizukas Schönheit fasziniert und in der kleinen Stadt zu Gast ist, nach Tokyo und Takafumi heiratet tatsächlich Shizukas Schwester.

Den beiden Männern gelingt es jedoch selbst im Verlauf von zwölf verstreichenden Jahren nicht, den anderen zu vergessen. Auch diesen Teil des Manga fand ich noch realistisch, da man einen Menschen, den man so unfassbar geliebt hat, mit Sicherheit nicht einfach aus den Erinnerungen und dem Gedächtnis streichen kann. Auch der psychologische Plot ist an dieser Stelle sehr durchdacht ausgearbeitet. Beide Figuren haben durch die Trennung seelischen Schaden genommen, wenngleich dieser bei Shizuka ungleich stärker ist als bei Takafumi. Dieser scheint lediglich einsam und desillusioniert zu sein, während Shizukas seelisches Leiden sich in körperlichen und psychischen Symptomen ausdrückt: er ist lethargisch, isst nicht mehr und hegt Selbstmordgedanken. Shizuka glaubt, dass er Takafumi von allen Problemen befreien täte, wenn er sterben und aus Takafumies Leben verschwinden würde. Dieser müsste dann nicht mehr zwischen Shizuka und seiner Familie wählen. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass Shizuka zu diesem Zweck ein letztes Mal in seine Heimatstadt gekommen ist. Er wollte Abschied von Takafumi nehmen und sich abschließend umbringen. Die emotionale Wucht dieser Offenbarung hat mich mitten ins Herz getroffen, ebenso wie Shizukas Versuch, Takafumi umzubringen, nachdem er als Schüler von der geplanten Hochzeit mit Ayako erfährt.

Eine solch extrem düstere Handlung ist für einen BL-Manga recht ungewöhnlich, trifft aber genau meinen persönlichen Geschmack. Denn wogegen oder wofür die beiden Figuren eigentlich kämpfen, sind nicht nur überalterte Traditionen, sondern auch um alternative und moderne Formen des Zusammenlebens. Diese Vermutung liegt nahe, da im Manga zudem eine transsexuelle Nebenfigur eingeführt wird, die alleine ein Kind großzieht. So stehen die beiden Drachen in der Legende für mich für die gesellschaftlichen Konventionen, gegen die sich die Mitglieder der beiden Clans seit Jahrhunderten aufgrund der Homosexualität zur Wehr setzen müssen. Dass die Schriftrolle ausgerechnet zu Lebzeiten von Shizuka und Takafumi gefunden wurde, könnte aussagen, dass diese beiden Figuren die erste Generation repräsentieren, in der homosexuelle Beziehungen ausgelebt werden können, denn die beiden Urahnen gewinnen ihren Kampf gegen die Drachen. Außerdem wirft der Manga eine weitere und sehr wissenschaftliche Frage auf: Gibt es für Homosexualität eine genetische Komponente? In Blood Loop wird häufig von der „Macht des Blutes“ gesprochen, was die Vermutung nahe legt, dass das Werk diese Annahme unterstützt.

Was mich letztendlich etwas enttäuscht hat, ist das letzte Drittel des zweiten Bandes. Hier kommt es zu einem… sagen wir, gewöhnungsbedürftigen Familiengangbang, was mich irgendwie verwirrt zurückgelassen und die Zusammenarbeit meiner beiden Gehirnhälften etwas gestört hat. Es stellt sich heraus, dass Shizuka einen Sohn hat, von dem er nichts weiß, weil er von der transsexuellen Nebenfigur, die außerdem seine beste Freundin / sein bester Freund ist, in betrunkenem Zustand vergewaltigt wurde. Das hieraus ein Kind hervorgegangen ist, hat Maru (so heißt sie / er) Shizuka verschwiegen. Dies wird vom ansonsten wahnsinnig eifersüchtigen Takafumi hingegen wiederum sehr gelassen aufgenommen, wahrscheinlich, weil dieser selbst ein uneheliches Kind adoptiert hat, welches aus der Affäre zwischen Shizukas Schwester Ayako und Takafumis Vater Hirofumi entstanden ist. Nach Hirofumis Tod war Takafumi, wie wir wissen, eine Weile mit Ayako verheiratet, wohl um zu verhindern, dass sein Stiefbruder als uneheliches Kind zur Welt kommt. Dies wird in Japan als böses Omen für das Leben des ungeborenen Kindes angesehen und diese Kinder werden zuweilen gesellschaftlich ausgegrenzt. Kurz und knapp: Gegen Ende fliegt die Handlung des Manga etwas auseinander, verliert durch die kleine humorvolle Szene jedoch wenigstens etwas an Schwere und Dunkelheit, in der man beim Lesen an einigen Stellen beinahe zu ertrinken droht.

Fazit

Wer ein etwas unausgegorenes Ende verzeihen kann, der wird in Blood Loop mit einem psychologisch durchdachten Plot, unglaublich intensiven Emotionen und einer sehr düsteren Handlung belohnt, die den emotionalen Konflikt der Hauptfiguren in harmonisch durchkomponierten Sexszenen reflektiert, an denen es dem Manga nicht mangelt. Dabei wird das gesamte Spektrum menschlicher Empfindungen bedient: Von leidenschaftlichem und zärtlichem Sex bis hin zu verzweifeltem und zerstörerischem Verlangen sind sämtliche sexuelle Interaktionen in Blood Loop vertreten. Neben tollen Dialogen und tiefgründigen Texten analysiert der Manga die gegenwärtigen und vergangenen gesellschaftlichen Strukturen in Japan und bietet dem Leser verschiedene Lesarten an, die zu vielfältigen Interpretationen einladen, besonders in Bezug auf den Blickwinkel, der in Japan gegenüber dem Thema Homosexualität eingenommen wird. Die Ernsthaftigkeit, mit der dieser Themenkomplex behandelt wird, macht den Manga eher zu einem Werk für erwachsene oder erwachsenere Leser und Leserinnen. Das Artwork ist insgesamt harmonisch gestaltet und die gelungene Abfolge vieler Sequenzen tröstet darüber hinweg, dass die Figuren proportional eigentlich nicht sehr stimmig umgesetzt sind und einige zeichnerische Schwächen offenbaren. Der eigenwillige und in Teilen sehr skizzenhaft wirkende oder gar verwirrende Zeichenstil mag manchen Leser abschrecken, aber trotzdem gelingen der Mangaka individuelle Charaktere, die optisch und charakterlich dem klassischen Uke-Seme-Schema entsprechen. Humor sucht man in Blood Loop jedoch vergeblich und wer lieber amüsante und inhaltlich hellere BL-Manga bevorzugt, der ist mit Aoi Levis Werk in der falschen Ecke gelandet.

Jaa mata ne, eure Amaya!


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