Titel: Sekaiichi Hatsukoi – Die Story von Ritsu Onodera / The World’s Greatest First Love – The Case of Ritsu Onodera / Sekaiichi Hatsukoi – Onodera Ritsu no Baai
Genre: Boys‘ Love, Comedy, Drama, Romance, Slice of Life
Zeichnungen / Story: Shungiku Nakamura
Bände: 11 / fortlaufend
Verlag: Carlsen Manga
Erscheinungsjahr des 1. Bands: 2011
Erotische Szenen: ❤❤
Irgendwie hatte ich Lust dazu, mal wieder einen richtigen BL-Klassiker unter die Lupe zu nehmen und da ich heute etwas Zeit habe, dachte ich mir: Warum nicht Sekaiichi Hatsukoi? Wahrscheinlich werden die meisten von euch, die schon den ein oder anderen BL-Manga in der Hand gehabt haben, die Serie bereits kennen, aber ich finde, sie ist eine der charmantesten BL-Reihen, weshalb die Worte zu ihr einfach aus meinen Fingern auf die Tastatur und in diesen Blogpost geflossen sind. Ich bin quasi ein Opfer höherer Gewalt. An dieser Stelle will ich euch deshalb nur viel Spaß beim Lesen wünschen. Ich hoffe, ich schaffe einen unterhaltsamen Beitrag, da es schon ein paar Tägelchen her ist, dass ich die Mangabände selbst gelesen habe. Falls ihr übrigens Wünsche habt, über welchen BL-Manga ich schreiben soll, dürft ihr diese gerne äußern! Sofern ich den Manga kenne, erfülle ich euch diese gerne. Ach ja, und schon einmal als kleine Vorwarnung: Dies wird wahrscheinlich mein bisher längster Beitrag und wer von euch hier regelmäßig mit liest, der weiß, was das bedeutet *grins*. Also, nehmt euch zum Lesen etwas Zeit.
Inhalt:
Ritsu Onodera ist das, was man einen Sohn aus gutem Hause nennt: Er ist der einzige Sohn einer Verlegerfamilie und arbeitet als Redakteur und Lektor im Verlag seines Vaters. Bei den Kollegen steht er in dem Ruf, den Posten nur aufgrund seines familiären Hintergrunds zu bekleiden, was auch der Grund dafür sei, dass er nur die wirklich erfolgreichen Autoren betreue. Fest dazu entschlossen, den Kollegen und seiner Familie zu beweisen, dass er auch ohne den Bonus des Erben Erfolge als Redakteur erzielen kann, bewirbt er sich als Lektor für Belletristik beim Murakawa-Verlag. Onodera wird angenommen, doch statt in der Literaturredaktion landet er in der berüchtigten und rein männlich besetzten Shōjo-Manga-Abteilung Emerald. Statt intellektueller Kost heißt es von nun an rosarote Zuckerwatte, für die Onodera überhaupt nichts über hat. Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, muss er fortan unter der Leitung eines alten Bekannten, Chefredakteur Masamune Takano, arbeiten. Mit diesem führte Onodera auf der Highschool für kurze Zeit eine lose Beziehung und sammelte mit ihm seine ersten sexuellen Erfahrungen, bevor sich ihre Wege aufgrund eines peinlichen Missverständnisses trennten. Takano, den Onodera nicht sofort als diesen erkennt, macht es sich fortan zu seiner zweiten Lebensaufgabe, den frisch gebackenen Manga-Redakteur mit allen Mitteln der Kunst zu verführen und ihn dazu zu bringen, sich erneut in ihn zu verlieben. Kein leichtes Unterfangen, denn Onodera kämpf neben seinem neuen Aufgabenbereich mit Minderwertigkeitskomplexen und einer ungewollten Verlobten. Wird er es schaffen den Erwartungen seiner Umwelt gerecht zu werden und dem Druck stand zu halten, der ihm auferlegt ist? Und ist es wirklich möglich, dass er sich nach so langer Zeit erneut in Takano verliebt und diesen für sich gewinnen kann? Denn schließlich gibt es da auch noch Yokozawa, den Leiter der Verkaufsabteilung, mit dem Takano an der Uni geschlafen hat und der sich als sehr besitzergreifend erweist…
Neben den beiden Hauptcharakteren werden drei weitere Paare eingeführt, die allesamt durch den Murakawa-Verlag miteinander verbunden sind und denen die Mangaka einige Kapitel der Bände widmet.
Artwork / Gestaltung:
Wie vielleicht bereits im Beitrag über den Manga Das Spiel von Katz und Maus angeklungen ist, fand ich den Zeichenstil von Shungiku Nakamura am Anfang ziemlich gewöhnungsbedürftig und habe längere Zeit gebraucht, bis ich ihn annehmen konnte. Die Figuren dieser Mangaka wecken bei mir immer animalische Assoziationen, vor allem beim Sex, und ich kann gar nicht explizit definieren, worauf dieses Empfinden bei mir zurückzuführen ist. Hauptsächlich liegt es wohl an den Gesichtern. Die Porträtzeichnungen und der Körperbau wirken verhältnissmäßig grob und besonders beim Anblick von Takano muss ich manchmal an einen hübschen Höhlenmenschen denken – natürlich ganz positiv und liebevoll gemeint *zwinker*. Alle Figuren, aber vor allem die Seme, weisen – so hart das klingen mag – Züge eines Neandertalers auf: wulstige Lippen, tief liegende, große Augen und markante Gesichtskonturen. Zudem wirken die Charaktere beim Küssen, als ob sie einander aufessen wollen, was ich zunächst nicht unbedingt ästhetisch fand. Ein großer Happs und ein wenig Nomnom von Takano und unser Onodera ist Geschichte *hehehe*. Im Laufe der Zeit verfeinern sich die Zeichnungen jedoch – wie bei jeder Mangaka, die über mehrere Jahr an einer Reihe arbeitet -, und vor allem die Darstellung der Uke Onodera, Kisa und Yoshino wird zunehmend niedlicher und anrührender. Auch Takanos Figur entwickelt sich visuell weicher und menschlicher. Manchmal, wenn sich seine Augen erschrocken oder verwundert weiten, weil Onodera mal wieder völlig seine Selbstbeherrschung verloren hat und seinen Vorgesetzten komplett verwirrt, wirkt dieser sogar ziemlich kawaii und unbeholfen. Zusammengefasst wirken der Zeichenstil und mit ihm die Figuren jedoch eher weniger realistisch, etwas, was sich zum Beispiel in In These Words völlig gegensätzlich verhält. Hier sind die Figuren zwar auch körperlich idealisiert gezeichnet, dabei in Bezug auf Proportionen und Gesichtszüge allerdings gleichzeitig stark an realen Personen orientiert. In Sekaiichi Hatsukoi erscheint hingegen besonders Kisa als klassische Mangafigur. Er wirkt klein, zerbrechlich und beinahe mädchenhaft, mit einem herzförmigen Gesicht und riesigen Augen.
An Takano befriedigt die Mangaka übrigens diesen Brillenfetisch, den irgendwie alle Autorinnen von BL-Manga zu haben scheinen, aber der Chefredakteur ist für mich (bisher) der einzige BL-Manga-Charakter, bei dem die Brille nicht unnatürlich oder albern wirkt, sondern irgendwie ziemlich sexy *hrhrhr*. Na ja, aber das nur am Rande. Ich denke nicht, dass von diesem ‚Brillen-Ding‘ der Erfolg des Manga abhängt, aber ich wollte diesen gelungenen Kunstgriff einfach einmal erwähnen und der Mangaka huldigen *Peace-Zeichen*. Man kann jedoch insgesamt festhalten, dass es sich bei Sekaiichi Hatsukoi um einen sehr stilvoll gezeichneten Manga handelt. Besonders auffällig wird dies, wenn man den Kleidungsstil der Figuren betrachtet. In anderen älteren BL-Manga, zum Beispiel in den ersten Bänden von Finder, tragen die männlichen Charaktere oft relativ altbackene und / oder aufreizende Kleidung. Da flattern die Tank-Tops und weißen, weit aufgeknöpften Hemden anrüchig um den Oberkörper und nicht erst einmal habe ich mir die Frage gestellt, was passieren würde, begegnete ich einem so gekleideten jungen Mann tatsächlich auf der Straße. Wahrscheinlich würde ich ihn vorsichtig anfassen und prüfen, ob er wirklich aus Fleisch und Blut besteht und keine papierene Inkarnation sämtlicher BL- und Schwulen-Klischees ist. Das soll nicht heißen, dass ich etwas gegen erotisch gekleidete Bishōnen habe, ganz im Gegenteil, die sind meistens ziemlich lecker anzusehen, aber einige Mangaka übertreiben hier trotzdem. Etwas zumindest. Wenngleich dies sicherlich ein Konzept ist, um die überwiegend weibliche Leserschaft ganz wuschig im Kopf zu machen. Klappt auch häufig. Aber zurück zum Thema *grins*.
Shungiku Nakamura schafft es, ihre Figuren immer zeitlos und der Situation angemessen zu kleiden, besonders was ihre ‚Dienstkleidung‘ anbelangt. Dabei gelingt es ihr sogar, die Persönlichkeit der Charaktere im jeweiligen Kleidungsstil widerzuspiegeln (mehr dazu im Abschnitt „Figuren“). Während Takano ein typischer Redakteur ist und auch mal in Kapuzenpullover und Shirt oder in seltsame Lagenbekleidung gekleidet zur Arbeit erscheint, was ein gewisses Selbstvertrauen ausstrahlt, ist Onodera sehr auf sein Ansehen bedacht und bevorzugt die typische Intellktuellenkleidung, wie beispielsweise Blazer und Rollkragenpullover. Außerhalb des Bettes gibt es im Manga desalb keine nackte Haut zu sehen, was ich allerdings erfrischend positiv finde. Was sehr anrührend wirkt, ist das häufige Erröten von Onodera gegenüber Takano. In BL-Manga neigt der Uke beinahe immer zu kräftiger Gesichtsröte, wenn er mit der Figur interagiert, bei der man weiß, aha, da läuft was, aber in so extremer Ausprägung habe ich dies selten erlebt. Mit kräftigen Strichen deutet die Mangaka eine Röte an, die sich in manchen Situationen über Onoderas gesamtes Gesicht zieht. Ich habe mich an einigen Stellen gefragt, ob dem armen Tropf überhaupt noch genug Blut in der unteren Körperhälfte erhalten bleibt, dort, wo er es noch benötigen wird, wenn sich die gesamte Körperzirkulation in seinem Gesicht abzuspielen scheint. Und dass es unmöglich sein kann, dass Takano die Gefühle von Onodera nicht bemerkt, bei der Bombe, die der manchmal munter durch die Gegen trägt. Aber auch dies schein ein Phänomen von BL-Manga zu sein, dass scheinbar nur der Leser von Beginn an weiß, wie der Hase zwischen den beiden Hauptcharakteren läuft.
In Sekaiichi Hatsukoi sind die Schwarz-Weiß-Kontraste sehr signifikant, die primär zur visuellen Differenzierung der beiden Hauptcharaktere eingesetzt werden. Während Takano schwarzes Haar hat und oft dunkle Kleidung trägt, wirkt Onodera dagegen wie eine blasse Bleistiftskizze. Dieses Vorgehen mag darin begründet liegen, dass die Mangaka eine klare Abgrenzung der Protagonisten beziehungsweise von Uke und Seme erreichen möchte, aber die Darstellung reflektiert zum Teil auch grundlegende Charaktereigenschaften der Figuren (auch hierzu mehr im Abschnitt „Figuren“). Was zusätzlich ins Auge sticht, sind die Panele. Ich fand es für den Lesefluss sehr angenehm, dass ihre Anzahl auf den meisten Seiten auf einige wenige beschränkt wurde. Dies hat den Vorteil, dass der Manga – im Gegensatz zu anderen Werken des Genres – sehr viel Platz für Text lässt, wovon die Autorin reichlich Gebrauch macht. Sekaiichi Hatsukoi ist im BL-Bereich sicher der Manga mit den größten Textmengen, die der Leser zu verarbeiten hat. Manchmal wirken die Seiten aus diesem Grund etwas überladen und man bekommt das Gefühl, dass die Zeichnungen in den Hintergrund treten, aber das kommt nicht all zu häufig vor und beruht sicherlich auf subjektivem Empfinden, weshalb es eine reine Geschmacksfrage ist, ob einen die vielen Denk- und Sprechblasen zuweilen irritieren oder nicht. Ich fand den Umstand angenehm, dass die Texte im Manga so viel Raum einnehmen, denn dies vermittelt einem tatsächlich ein richtiges ‚Buchgefühl‘. Bei manchen Manga verhält es sich im Gegensatz dazu teilweise so, als ob der Leser einen Kunstkatalog in der Hand hält, da in diesen Werken wenig gesprochen wird. Mit ihren jeweiligen individuellen Reizen gefallen mir beide Arten Manga sehr gut und auch hier müsst letztendlich ihr entscheiden, was eurem persönlichen Geschmack am nächsten kommt. Viele Panele sind im Übrigen nicht im klassischen rechteckigen oder quadratischen Format gehalten, sondern wirken wie Spiegelscherben, die willkürlich einen Moment der Handlung reflektieren. Diese Technik erstreckt sich, wird sie angewandt, über eine komplette Seite und bringt durch ihre unruhige Wirkung eine gewisse Dynamik und Beweglichkeit in starre Zeichnungen, was dem Manga visuell sehr zugute kommt. Was ich innovativ finde und so noch nicht gesehen habe, sind die vielen pechschwarzen Hintergründe, die die Mangaka in manche Panelen einfügt. Auch hier erhalten wir dadurch einen starken Kontrast zu den Figuren, die in diesen Fällen durchscheinend und ohne ausgeprägte Schattierungen gezeichnet sind, wodurch sie vermehrt in den Vordergrund rücken.
Erotik / Handlung:
Jetzt habe ich ziemlich viel zur visuellen Gestaltung des Manga geschrieben, aber die Erotik soll natürlich nicht zu kurz kommen. Eigentlich hat die Reihe relativ viele erotische Szenen, aber dadurch, dass doch viele Handlunsgräume erschlossen werden, verteilen sich diese Momente über die einzelnen Bände. Mit mindestens einer Sexszene pro Manga darf der Leser aber auf jeden Fall rechnen. Wie in Das Spiel von Katz und Maus verspürt man jedoch nicht unbedingt prickelnde Erotik, sondern die Bettszenen weisen einen leicht bitteren und schmerzlichen Beigeschmack auf. Doch vielleicht ist es gerade diese Nuance leichten Schmerzes im Empfinden der Figuren, die die entsprechenden Szenen so leidenschaftlich und mitreißend wirken lässt. Ich habe schon oft das Gefühl gehabt, dass richtiger guter Sex in BL-Manga nicht funktioniert, wenn zwischen den beiden Charakteren kein Widersatzpotential vorhanden ist. Dies ist auch bei Takano und Onodera der Fall. Während Takano sich seiner Gefühle für den jüngeren Kollegen völlig bewusst ist und alles tut, um Onodera nicht nur ins Bett, sondern auch emotional zu ‚kriegen‘, verleugnet dieser die Gefühle für seinen ehemaligen Senpai und will sich selbst nicht eingestehen, dass er schnell wieder bis über beide Ohren in Takano verschossen ist. Das ist wohl der Grund dafür, dass Onodera sich nicht gegen Takano zur Wehr setzen kann (will) und immer wirkt, als ob er große seelische Schmerzen empfinden würde, wenn sein Vorgesetzter ihn mal wieder abschleppt. Dass die beiden ganz zufällig auch noch Nachbarn sind, macht die Zwickmühle für unseren kleinen Manga-Redakteur nicht gerade komfortabler, denn nachmitternächtliche Stelldicheins sind keine Seltenheit. Die Szenen, in denen Takano Onodera verhältnismäßig massiv bedrängt, habe ich – wie in einigen anderen Manga – nie als sexuelle Übergriffe empfunden, denn obwohl Onodera sich versuchsweise wehrt, genügt doch ein Blick in sein rot angelaufenes Gesicht und die verschleierten Augen, um zu erkennen, dass sein Verstand sich vielleicht noch widersetzen mag, Onoderas Herz und seine Empfindungen jedoch längst völlig Takano gehören. Ich glaube, Takano weiß eigentlich auch, dass Onodera ihn wirklich liebt, aber er geistig noch nicht dazu bereit ist, sich diese Liebe einzugestehen, weshalb der Chefredakteur nicht locker lässt, obwohl er doch oft unsicher erscheint, wenn es darum geht Onoderas Gefühle ihm gegenüber zu ergründen. Diese Zweigeteiltheit oder Zerissenheit von Herz und Verstand ist etwas, das ich im Manga bei Onodera als sehr intensiv und irgendwie anrührend empfinde. Die sexuelle Interaktion mit Takano ergibt sich in Onoderas Fall häufig aus zufälligen Begegnungen, die Takano oft zu seinen Gunsten nutzt und nicht eher locker lässt, bis Onodera (mal wieder) einknickt und der Verführungskunst seines Vorgesetzten erliegt.
Dass Onodera sich seine wahren Gefühle nicht eingestehen will, kommt im Manga sehr authentisch rüber und ist der Hauptgrund dafür, dass Takano im Bett den aktiven Part übernimmt. Wenngleich Takano in keinererlei Hinsicht eine Figur ist, die nach dem in vielen BL-Manga existenten platten Uke-Seme-Schema funktionert, so ist er körperlich hingegen deutlich als Seme zu erkennen, genau so wie seine ‚Mitstreiter‘ Hatori und Yukina. Sie alle sind wesentlich größer als die ihnen als Gegenstück gegenüber gestellten Uke und verfügen über wesentlich herbere Gesichtszüge. Im Manga werden sie als sehr attraktiv und auf Frauen anziehend wirkend geschildert. Ihre dominierende Rolle im Bett resultiert jedoch nicht aus der physischen Überlegenheit, sondern vielmehr aus dem Umstand, dass alle drei Figuren diejenigen sind, die offen zu ihren Gefühlen stehen und diese annehmen und ausleben, während die Uke dieses Vertrauen in sich selbst und ihren Partner noch nicht setzen können und aus diesem Grund verführt werden müssen (und wollen?). Was die Sexszenen in Sekaiichi Hatsukoi im Übrigen noch auszeichnet, ist der Schweiß. Es wird geschwitzt, geschwitzt, geschwitzt. Und noch einmal geschwitzt. So viel, dass ich mich öfter gefragt habe, ob eine der beiden Figuren nach dem Sex an Dehydrierung sterben wird. Ich verbuche das einfach mal in der Kategorie „persönliche Note der Mangaka“ *zwinker*. Die erotischen Szenen an sich finde ich im Übrigen sehr schön durchdacht, komponiert und abwechslungsreich. Von romantischem Yukata-Sex bis hin zu heißem Auto-Techtelmechtel werden sämtliche Orte bespielt, die man sich als weibliche Leserin wünschen kann *hrrrrrr*. Um es deutlich zu betonen: Sekaiichi Hatsukoi ist ein Werk mit ganz normalem Sex (wenn man von der homoerotischen Komponente absieht). Das dürfte einige von euch vielleicht beruhigen, da die Figuren in manchen Manga doch recht – nun ja, ungewöhnliche Vorlieben haben. Daher – keine Angst, im Manga verläuft alles in geregelten Bahnen und niemand wird vergewaltigt, gefesselt oder zu perversen Spielchen gezwungen. Da es für alle Rezensionen mein Vorsatz ist, euch in Bezug auf die erotischen Szenen nicht zu viel Spannung vorwegzunehmen, will ich auf weitere Details nicht eingehen, aber neben diesen wundervollen Sexszenen sagt Takano des Öfteren auch noch so wundervoll romantische Dinge, die mir wortwörtlich das Herz geschmolzen haben. Onodera ist schon ein wenig schwer von Begriff beziehungsweise manchmal hätte ich ihn gerne geschüttelt, damit endlich die Worte „Ich liebe dich“ oder, wie man in Japan sagt, dai suki über seine Lippen purzeln. Wie kann man einen so tollen Mann wie Takano so hartnäckig abweisen, der sich vorerst selbst mit einem „Ich mag dich“ zufrieden geben würde?! Auf jeden Fall hält Onodera den Rekord desjenigen BL-Charakters, der am längsten braucht, um dem Mann, dem er ganz offensichtlich mit Haut und Haaren verfallen ist, seine Liebe zu gestehen (und sich selbst ebenso). Bisher zieht sich dieses ‚Rumgeeier‘ über geschlagene neun Bände und ein Ende ist noch nicht in Sicht, wie der Abschluss eines jeden Bandes verrät, an dessen Ende die Mangaka immer den Satz setzt: „Es sollte noch … Tage dauern, bis er sich wieder in ihn verliebte.“
Onoderas sprichwörtlicher langer Atmen ist der inhaltliche Aspekt des Manga, der die Geschichte gefühlt etwas in die Länge ziehen kann, aber darüber hilft einem der tolle Humor der Autorin hinweg, die ich seit Junjo Romantica unter anderem für ihre witzigen Karikaturen der Hauptfiguren liebe. Vor allem die Uke und im Besonderen Onodera schwanken hin und wieder zwischen Witz und Wahnsinn. Es ist köstlich und unterhaltsam zu betrachten, wie unser kleiner Manga-Redakteur sich von einem Moment auf den anderen von einem verführerischen Jüngling in einen patzigen Breitmaulfrosch oder ein glupschäugiges Schreckgespenst verwandeln kann, wenn Takano oder eine andere Figur den entsprechenden Anlass bieten. Der Erfolg dieser Reihe liegt sicherlich vor allem darin begründet, dass die Mangaka eine ideale Balance zwischen einer interessanten Handlung / Schauplätzen, erotischen oder romantischen Szenen und einem mitreißenden Humor findet. Neben den bereits erwähnten Inhalten bekommt der Leser zudem einen sehr realistischen Einblick in die japanische Arbeitswelt und die Abläufe innerhalb eines Verlagshauses. Wir erfahren von den langen Arbeitstagen in Japan und den Lebensgewohnheiten eines berufstätigen Mannes, aber auch jeder Manga-Liebhaber wird seine Freude an Sekaiichi Hatsukoi haben, denn gemeinsam mit Onodera gehen wir in die Lehre und erfahren einige spannende Details über die Arbeit in der Redaktion eines Manga-Magazines, von Deadlines über die konkreten Arbeitstechniken bis hin zum Zielgruppenmarketing. Wen von euch solche Dinge überhaupt nicht interessieren, den wird dieser Manga wahrscheinlich schrecklich langweilen, da dieses Thema den größen Teil der Reihe einnimmt, aber alle anderen, die schon immer etwas mehr über die (vielleicht nicht immer ganz realistische) Entstehung der in Japan so beliebten Manga-Monatsmagazine erfahren wollten, dürften diesen Manga lieben.
Ein kleines Manko ist im Rahmen der Übersetzung für mich die Eindeutschung der japanischen Höflichkeitssuffixe. Es wirkt gezwungen und lässt einen befangen werden, wenn Takano seinen Kollegen hartnäckig duzt und Onodera seinen Vorgesetzten selbst dann noch siezt, wenn die beiden bereits mehrmals miteinander im Bett waren. Das einfach Sie/Du-System der deutschen Sprache wird außerdem den japanischen Anreden nicht gerecht, weil es dort sehr viel mehr Optionen gibt. Aus diesem Grund finde ich, dass man diese Formen nicht wirklich 1:1 ins Deutsche übertragen kann und es deshalb auch in unserer Sprache bei Takano-san / Senpai und Onodera(-kun) hätte bleiben sollen.
Figuren:
Takano und Onodera tun sich aus verschiedenen Gründen schwer, einander wirklich nahe zu kommen, und dies liegt, besonders in Bezug auf Onodera, in seinem Elternhaus und den daraus resultierenden persönlichen Komplexen begründet. Vor allem Ritsu ist in psychologischer Hinsicht sehr differenziert und realistisch gestaltet und kommt in einigen Zügen auch meiner eigenen Persönlichkeit nahe, weshalb er – trotz seiner ganzen Splens und Neurosen – der mir (bisher) liebste BL-Manga-Charakter ist. Bei Onodera verhält es sich nämlich so: Er ist, was man bei uns einen Sohn aus gutem Hause nennen würde. Seinem Vater gehört ein großer Verlag, in dem auch unser zukünftiger Mangaredakteur arbeitet, weswegen Onodera bei seinen Kollegen in dem Ruf steht, die erfolgreichen Autoren nur aufgrund seiner Herkunft betreuen zu dürfen und nicht wegen seines Könnens. Der Erfolg sei bei Schriftstellern wie Akihiko Usami (den wir alle aus Junjo Romantica kennen) selbstredend. Nun, wen würde eine solche Unterstellung nicht kränken (wenngleich sie nicht vollkommen unberechtigt ist, denn es zeigt sich im Verlauf der Reihe, dass Onodera doch noch einiges lernen muss und es ihm an dem Selbstbewusstsein fehlt, das eine Führungspersönlichkeit in der Regel auszeichnet)?
Trotzig und augenscheinlich von seinem Können überzeugt, verlässt Onodera den Verlag seines Vaters und landet, wie wir wissen, in der Shōjo-Manga-Redaktion. Nach der Aufdeckung seiner Identität ist es schließlich Takano, der an Onoderas zur Schau getragener rauer Fassade kratzt und sie zum Einsturz bringt. Hinter seiner Griesgrämig- und Trotzigkeit kommt ein zutiefst verunsicherter junger Mann zum Vorschein, der seinen Platz im Leben noch nicht gefunden hat und verzweifelt versucht, den eigenen und von seinen Eltern (von denen er irgendwann das Verlagshaus übernehmen soll) an ihn gestellten hohen Erwartungen gerecht zu werden. Onodera sucht den Grund für sein zuweilen ungehobelt wirkendes Auftreten zwar in dem Missverständnis, das Takano und ihn während ihrer gemeinsamen Oberstufenzeit auseinander gebracht hat, doch es wird schnell deutlich, dass dies nicht die alleinige Ursache für seinen rauen Charakter und seine Verschlossenheit ist. Vielmehr bilden diese beiden einen Schild, das den jungen Mann vor emotionalen Verletzungen schützen soll. Seine Angst vor seelischem Schmerz hingegen ist etwas, was sehr wohl aus der vermeintlichen früheren Abweisung von Takano hervorgeht. Die Autorin schildert einfühlsam die tiefe Kränkung, die Onodera im Rahmen seiner ersten Liebe erfahren hat und wie dieser schmerzhafte Verlust seine weitere Persönlichkeitsentwicklung determiniert hat. Der junge Mann erkennt zwar schnell, dass die zurückliegende Trennung ausschließlich auf einem Missverständnis basierte und auch Takanos Herz nicht ohne tiefe Risse davongekommen ist, doch Onoderas Verhaltensmechanismen, die sich nach vielen Jahren verfestigt haben, machen es dem Nachwuchsredakteur sehr schwer, sich wieder einem Menschen zu öffnen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Takano so unverholen Onoderas Nähe sucht. Vor den beiden Liebenden liegt ein langwieriger Prozess, in dem sie sich erst einmal selbst heilen müssen, bevor sie erneut zueinander finden können.
Takano liebt Onodera ehrlich und aus tiefstem Herzen, doch Ritsu, obwohl er sich Takano nach und nach öffnet, scheint längere Zeit durchaus etwas wie Hassliebe für seinen Vorgesetzten zu empfinden. Der ehemalige Senpai war für unseren jungen Redakteur schon immer ein Ideal und Vorbild und diese Sichtweise auf Takano kristallisiert sich vor allem während der gemeinsamen Arbeit im Verlag heraus. Onodera scheint zuweilen sogar eifersüchtig auf Takanos Können und Selbstbewusstsein zu sein und er erkennt in seinem Vorgesetzten erneut ein Abbild dessen, was oder wie er beruflich selbst gerne wäre – erfolgreich, selbstbewusst und in allem vollkommen. Takano wiederum, der entgegen seiner Außenwirkung anderen Menschen gegenüber sehr viel empathischer agiert als es scheint, erkennt schnell Onoderas inneren Konflikt und den Druck, der auf dem jungen Verlagserben lastet und versucht ihn in seiner Arbeit zu bestärken und aufzubauen, nachdem er herausgefunden hat, dass Onodera als Manga-Redakteur durchaus Potential besitzt. Die Szenen, in denen Takano aufbauende und bestärkende Worte an seinen Kollegen richtet, haben mich berührt, denn obwohl Takanos Verhalten Onodera oft verunsichert, kann man doch spüren, dass die Anerkennung des Vorgesetzten ein kleines und zartes Licht in Onoderas Seele entzündet und ihn ein wenig selbstsicherer und optimistischer werden lässt und ihm das Gefühl gibt, dass er die Hoffnungen und Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, irgendwann wird erfüllen können.
Takanos starke Präsenz und Onoderas Unsicherheit spiegeln sich sowohl in Kleidung als auch den Zeichnungen der Figuren wieder. Während Takano mit kräftigen Strichen und viel Schwarz gestaltet wird und meistens in lässiger Kleidung auf der Arbeit erscheint, die sein Selbstbewusstsein symbolisiert und zeigt, dass er ein aufrichtiger und ehrlicher Mensch ist, der sich seines Könnens bewusst ist und sich nicht verstellen muss, erscheint Onodera in manchen Szenen beinahe durchsichtig. Diese Unscheinbarkeit reflektiert die eigene Unsicherheit und die wohl überlegte Kleidung erschafft zuweilen eine Fassade von Perfektion, die Onodera schützt. Dass der junge Mann niemandem zur Last fallen möchte und vor allem Wert auf seine Außenwirkung legt, ist eventuell zusätzlich einer der Gründe dafür, weshalb Onodera sich so schwer damit tut, sich der Beziehung mit einem Mann zu öffnen und sein sexuelles Verlangen anzuerkennen. Wobei man deutlich betonen muss, dass keine der Figuren offensichtliche Komplexe wegen ihrer sexuellen Orientierung hat, wenngleich Ritsu sich gegenüber seiner Verlobten zu schämen scheint, als diese seine Beziehung zu Takano aufdeckt.
Was hält Takano und Onodera letztendlich zusammen beziehungsweise woran liegt es, dass die beiden selbst nach so vielen Jahren einfach nicht voneinander los kommen? Ich denke, dass beide Figuren am anderen die Seiten lieben, die Kollegen und entfernte Freunde nicht kennen. Onodera bewundert Takano, aber mehr als das berühren ihn wohl dessen Zärtlichkeit und verschlossene Trauer, die er neben Onodera nur Yokozawa unverhüllt zeigt. Schon früh musste Takano die Erfahrung machen, dass seine in Scheidung lebenden Eltern kein Interesse an ihm haben. Letztendlich starben diese jung. Der in Onoderas Augen perfekte Takano wirkt auf einmal menschlich und nahbar und seine Fassade bekommt Risse, die er Onodera ganz offen zeigt und die diesen in den Bann seines Vorgesetzten ziehen. Und letztendlich ist es wohl auch Takanos unverhüllte Begierde, der Onodera sich nicht verschließen kann (und insgeheim auch nicht will). Was genau Takano an Onodera anzieht, konnte ich nicht vollkommen ergründen. Fakt ist, er liebt diesen abgöttisch, aber zumindest zu Schulzeiten war das nicht von Beginn an der Fall. Erst nach und nach lernt der junge Takano Onoderas unverstellte Ehrlichkeit und Fröhlichkeit und seine Tollpatschigkeit kennen, Eigenschaften, die ihn in der Oberstufe auszeichneten. Takano sagt an einer Stelle im Manga, dass er nun Onoderas gegenwärtiges Ich liebe und nicht sein damaliges, doch näher definiert er sein Liebesgeständnis nicht. Vielleicht ist es die Zerbrechlichkeit hinter der rauen Fassade, die Takano fasziniert und die in ihm Beschützerinstinkt und Zuneigung weckt und es ist der gleichzeitige Respekt vor Onoderas hartem Kampf mit der ihm auferlegten Bürde. Takano hat deutliche Achtung vor Onoderas harter Arbeit, seinem unerschöpflichen Einsatzwillen und seiner Zuverlässigkeit. Letztendlich ist es wohl Onoderas Einstellung dazu, wie er Dinge tut, die ihn in Takanos Augen liebenswert erscheinen lassen. Ritsu teilt mit seinem Vorgesetzten eine ähnliche Arbeitsmoral: Wenn er sich einer Aufgabe annimmt, widmet er sich dieser mit vollem Einsatz und unter Aufbringung all seiner Kräfte.
Auf jeden Fall muss es etwas geben, das Takano diese ganzen Mühen wert ist, denn OH JA, die macht ihm Onodera wahrlich. Der junge Mann öffnet sich dem Werben seines Vorgesetzten zwar nach und nach, aber dies geschieht seeeeeeeeeeeehr langsam und ich hätte an Takanos Stelle wahrscheinlich schon längst aufgegeben. Immerhin sind wir im neunten Band so weit, dass unser Ritsu sich selbst eingesteht, dass er Takano liebt. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt darauf, wie es zwischen den beiden weitergehen wird. Denn während sich die körperliche Beziehung im Bett sehr schnell entwickelt hat, knüpft das Band der Liebe die Herzen der beiden Protagonisten nur langsam und zaghaft aneinander (natürlich aus Onoderas Perspektive. Takano hätte Ritsu schon längst in Ketten gelegt, wenn er könnte). Aber gerade diese Diskrepanz finde ich reizvoll, denn sie verspricht neben viel Sex trotzdem eine weiterhin komplexe und psychologisch fundierte Handlung.
Fazit:
Sekaiichi Hatsukoi ist mittlerweile sicherlich ein Klassiker des BL-Mange-Genres. Ich kann ihn jedem empfehlen, der gerne romantische Geschichten mit Figuren mit komplexen Persönlichkeiten liest und trotzdem nicht auf genügend (vollkommen gewaltfreie) erotische Szenen verzichten möchte. Ferner gewährt der Manga einen humorvollen und augenzwinkernden Einblick in die Verlagswelt und die Herstellung von Manga-Magazinen, die ihn aus eben diesem Grund jedoch für manchen Leser langatmig werden lassen dürfte, da die Arbeit in einem Verlagshaus mit all ihren Techniken und Fallstricken stark in den Vordergrund rückt. Wer gerne Manga liest, bei denen er sich überwiegend auf die Zeichnungen fokussieren kann, der sollte ebenfalls zu einem anderen Werk greifen, denn die Mangaka legt viel Wert auf längere Dialoge, die auch einmal die Seiten der Bände dominieren können. Dafür bekommt der Leser schlüssige Biographien der Charaktere geboten und erfährt auch Details aus der Vergangenheit der Figuren, die insgesamt eine zentrale Rolle spielt, was die Protagonisten sehr zugänglich und realistisch erscheinen lässt, wenngleich Onoderas widerspenstige Persönlichkeit vielleicht ab und an die Nerven des Lesers strapazieren kann *zwinker*. Letztendlich ist Shungiku Nakamuras Werk ein wundervoll stimmiger Manga, der mit vielen Aspekten punkten kann und sicherlich in keiner BL-Sammlung fehlen sollte. Besonders einprägsam demonstriert die Reihe, wie soziale Herkunft und spezifische Erfahrungen in der Jugend den Lebensweg und die charakterliche Entwicklung eines Menschen prägen können.
Jaa mata ne, eure Amaya!
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