Titel: Das Spiel von Katz und Maus / The Cornered Mouse Dreams of Cheese / Kyuso wa Cheese no Yume wo Miru

Genre: Boys‘ Love, Drama, Romance, Slice of Live

Zeichnungen / Story: Setona Mizushiro

Bände: 2 / abgeschlossen

Verlag: Carlsen Manga

Erscheinungsjahr des 1. Bands: 2009

Erotische Szenen: ❤❤

Es gefällt mir, dass
Carlsen Manga die beiden Bände immer noch im Programm hat.

Eigentlich hatte ich mir für heute Abend vorgenommen, dass ich euch endlich mal eine nicht rein positive Rezension einstelle, damit ich euch beweisen kann, dass mein Gehirn trotz der ganzen heißen und / oder rosaroten BL-Manga auch noch zu kritischen Analysen fähig ist, aber dann kreuzte vor einigen Tagen Das Spiel von Katz und Maus meinen Weg und alle guten Vorsätze meinerseits waren damit (wieder einmal) dahin *schwitz*. Ich habe die letzten 15 Minuten, während derer ich an meinem Laptop saß, still mit mir gerungen, aber nun gebe ich mich geschlagen und widme den heutigen Abend dem wundervollen Manga von Setona Mizushiro, der sich ganz unvorhergesehen in die Spitzengruppe meiner Lieblings-BL-Manga geschlichen hat, und das mit Karamba.

Inhalt:

Kyouichi ist ein Frauenheld. Obwohl er verheiratet ist, geht er seiner Frau Chikako andauernd fremd. Diese setzt schließlich einen Privatdetektiv auf ihren Mann an, der sich Kyouichi als ehemaliger Kommilitone zu erkennen gibt und diesen erpresst: Schwul und bereits seit dem Studium unglücklich in den Weiberhelden verliebt, fordert Imagase sexuelle Interaktion als Gegenleistung für sein Schweigen gegenüber Chikako ein. Kyouichi lässt sich auf den Deal ein, wenngleich er ihn nicht vor der Scheidung bewahrt. Imagase hat zwar dicht gehalten und Kyouichi vor seiner Frau als Bilderbuchehemann ausgegeben, aber die persönlichen Differenzen des Paares sind letztendlich zu groß und Chikako reicht die Scheidung ein. Kyouichi, nun wieder auf dem Markt, kann sich in der Folge kaum noch vor Imagases Annäherungsversuchen retten und gibt diesen schließlich nach, wenngleich zunächst sehr widerwillig. Schließlich zieht Imagase sogar bei Kyouichi ein. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine widersprüchliche Beziehung voller (sexueller) Abhängigkeiten, die vor allem den eifersüchtigen Imagase an den Rand des Wahnsinns treibt. Unausweichlich kommt es zum Bruch zwischen Kyouichi und dem Privatdetektiv, doch für eine endgültige Trennung ist es längst zu spät, obwohl Kyouichi nicht homosexuell ist. Beide Männer haben sich in einer Liebe verstrickt, die sich als die einzig wahre zu entpuppen und sie zu verschlingen scheint.

Artwork / Gestaltung:

Ich weiß nicht genau, weshalb ich so empfunden habe, aber der Zeichenstil von Setona Mizushiro erinnert mich teilweise stark an den von Shungiko Nakamura, der Mangaka von Sekaiichi Hatsukoi und Junjo Romantica. Es ist ein sehr eigenwilliger Stil von irgendwie grotesker Schönheit, an den man sich zunächst gewöhnen muss. Die Figuren wirken auf mich immer leicht animalisch und affenartig, man kann vielleicht sagen: wie Neandertaler, mit ihren leicht wulstigen Lippen und tief liegenden, großen Augen. Zunächst war ich vom Artwork nicht sonderlich angetan, aber mit der Zeit hat sich dieses anfängliche Gefühl von Widerwillen in eine starke Faszination gewandelt, die vor allem den Porträts und großformatigen Zeichnungen geschuldet ist und denen es bei aller Grobheit gelingt, trotzdem die Sehnsucht und den Schmerz in den Gesichtern der Charaktere widerzuspiegeln. Aufgrund des eher schlichten und schnörkellosen Zeichenstils und der sehr übersichtlichen und klaren Anordnung der Panele fällt es dem Leser zudem leicht, der Handlung und dem Geschehen zu folgen. Was mir besonders gut gefällt, sind die eingefügten leeren Panele, die nur von einer Rasterfolie oder einem schlichten Hintergrund gefüllt werden, zum Beispiel einer Aufnahme des Mondes vor einem schwarzen Nachthimmel, und welche in der Regel in einigen wenigen Sätzen die tiefsten inneren Gedanken und Empfindungen von Kyouichi abbilden. Er ist damit ganz klar der Erzähler des Manga, die Geschichte wird vor allem aus seiner Perspektive geschildert.

Die vielen Zeichnungen des Mondes sind übrigens auffällig und schaffen ein sehr romantisches Setting. Insgesamt arbeitet die Mangaka tendenziell wenig mit Rasterfolien, weshalb die meisten Zeichnungen tatsächlich wie solche wirken: Skizzen mit einer einfachen, jedoch klaren Strichführung auf weißem Hintergrund. Die überwiegende Anzahl der Panele erscheint daher farblos, was jedoch die Szenen, in denen schwarze Rasterfolie sehr pointiert eingesetzt wird, stark hervortreten lässt. Häufig ist dies der Fall, wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht oder Imagase und Kyouichi miteinander interagieren. Hier symbolisieren die schwarzen Hintergründe und grauen Schattierungen der Gesichter emotionale Aufgewühltheit oder Schmerz und Trauer. Oft werden sie allerdings auch aus pragmatischen Zwecken genutzt, zum Beispiel um die Figuren optisch vom weißen Hintergrund abzuheben, wenn dies in Situationen erforderlich ist, in denen das Augenmerk des Lesers vollkommen auf die Charaktere gelenkt werden soll. In solchen Momenten wird auch die Anzahl der Panele auf bis zu drei oder vier pro Seite eingeschränkt, um das Auge visuell zur Ruhe kommen zu lassen und die emotionale Bedeutung des Moments für die jeweilige Figur hervorzuheben. Je emotionaler eine Interaktion sich darstellt, desto größer werden die Porträts der Gesichter eingefügt und desto mehr wird auf Hintergrundzeichnungen verzichtet. Manche Zeichnungen sind stark stilisiert und wirken wie ein Gemälde, in dem die Figuren beispielsweise von Blumenranken umschlossen sind. Diese Panele bilden oft eine Art Abschluss für einen Handlungsstrang und schließen damit ein Kapitel ab. Wie in Stein gemeißelt brennen sich diese ‚Abschlussbilder‘ in das Gedächtnis des Lesers ein und transportieren einen gewissen emotionalen Zustand mit in das Folgekapitel.

Handlung / Erotik:

Das Spiel von Katz und Maus hat einen sehr erotischen Grundton und es gibt viele erotische Szenen und romantische Interaktionen zwischen Kyouichi und Imagase, wenngleich die expliziten Sexszenen eher kurz gehalten sind und sich in der Regel auf etwa drei bis vier Seiten beschränken. Im Manga gibt es einige von ihnen, aber da sie dem Leser aufgrund ihrer Länge nicht so präsent im Gedächtnis bleiben, überwiegt der romantische Grundton. Zumal man nicht von wirklich ‚heißem‘ Sex reden kann, sondern die entsprechenden Szenen immer einen leicht melancholischen und bitteren Beigeschmack beim Leser hinterlassen. Die beiden Figuren verzehren sich teilweise vor Verlangen nacheinander, schaffen es aber nicht diese ungezügelte Leidenschaft in eine konstante und stabile Beziehung zu überführen. Die Szene, in der Imagase nach einer halbjährigen Trennung zu Kyouichi zurückkehrt und von diesem zunächst auf die härteste Art abgewiesen wird, die man sich vorstellen kann, bevor die beiden von Gefühlen übermannt übereinander herfallen, hat mir schlicht den Atem geraubt. Sie war so intensiv, das habe ich beim Lesen bisher noch bei keinem BL-Manga erlebt.

Was mir an diesem Manga wirklich gefällt – und das habe ich bisher bei nur ganz wenigen Werken erlebt – ist, dass die Sexszenen nicht aus der Luft gegriffen sind und ohne wirklichen Bezug zur Handlung stehen, sondern im Gegenteil in weiten Phasen Kyouichis charakterliche Entwicklung reflektieren. Ich werde dazu noch etwas mehr im Abschnitt „Figuren“ erzählen. Gleichzeitig ist der Manga zudem der erste dieses Genres (den ich gelesen habe), der neben homosexuellem auch heterosexuellen Sex abbildet, wenngleich sich diese Zeichnungen auf zwei oder drei kleine Panele und zwei Szenen beschränken. Auch diese Szenen wurden nicht ‚auf blauen Dunst‘ in die Geschichte ‚reinkonstruiert‘, sondern stellen einen Ausschnitt aus Kyouichis alltäglichem Leben dar, das realistisch abgebildet werden muss, und dienen zugleich dem Zweck, den Konflikt zu symbolisieren, den Kyouichi im Kontext der Neuausrichtung seiner sexuellen Orientierung durchlebt.

Es gibt in diesem Manga übrigens ein weiteres Wunder, das mich staunend zurückgelassen hat: Wir (beziehungsweise ich?) erleben im Bett hier zum ersten Mal eine Umkehr der Seme-Uke-Beziehung! Äußerlich und in vielen Aspekten seiner Persönlichkeit ist eigentlich Imagase auf den Uke-Part ausgelegt. Er wirkt verhältnismäßig feminin und ist derjenige Partner, der sich um den Haushalt kümmert und schnell sehr eifersüchtig wird, was insgesamt weibliche Stereotype sind. Nichtsdestotrotz fällt ihm beim Sex zunächst der männliche Part zu und in dieser Hinsicht lässt Imagase sich nicht lumpen: Er ‚besteigt‘ Kyouichi bei jeder sich bietenden Gelegenheit, um es einmal auf den Punkt zu bringen *hrhrhr*. Da nützt es auch nichts, wenn dieser sich anfänglich ziert. Je intensiver sich die Beziehung zwischen den beiden Männern hingegen entwickelt, desto devoter wird Imagase und schließlich ist es Kyouichi, der im Bett die Zügel in die Hand nimmt, wenngleich ihn Imagase zunächst in diese Position drängt. Einschränkend kann man natürlich sagen, dass sich am Ende alles an seinen Platz fügt, denn Kyouichi ist tendenziell ein klassischer Seme bzw. mit männlichen Stereotypen besetzt – dunkelhaarig, Familienernährer und ein echter Frauenmagnet, der nichts anbrennen lässt. Allerdings verfügt er auch über eine sehr passive und zurückhaltende Seite, was zu Beginn vermutlich der Grund dafür ist (neben seiner Heterosexualität), dass Kyouichi sich von Imagase forcieren lässt. Ich fand es jedoch sehr erfrischend endlich einmal zwei wirklich gleichberechtigte Partner zu erleben, deren Rollen nicht so drastisch festgeschrieben sind wie in der erdrückenden Mehrheit aller BL-Manga, die ich bisher gelesen habe.

Figuren:

Imagase und Kyouichi sind zwei sehr komplexe Figuren und man merkt deutlich, dass dieser Manga für ein erwachsenes Zielpublikum angedacht ist. Im Nachwort gibt die Mangaka auch an, dass er für verheiratete junge Frauen um die 30 geplant wurde. Im Wesentlichen geht es im Manga um die eine wahre Liebe und die Frage danach, ob sie wirklich existiert, was sie mit einem Menschen macht und ob es möglich ist mehrere Menschen gleich stark zu lieben. Ich finde diese Frage unheimlich spannend, weil ich sie mir selbst schon oft gestellt habe: Es gibt circa siebeneinhalb Milliarden Menschen auf der Welt – ist unter ihnen, irgendwo, dieser eine Mensch, den ich mehr lieben würde als mein eigenes Leben? Für den ich alles aufgeben, alles hinter mir lassen würde, was mein Leben bis zu diesem Zeitpunkt ausgemacht hat? Ich bin der festen Überzeugung, dass es diesen Menschen gibt. Die Frage ist lediglich, ob ich ihn treffen werde. Hierfür, so denke ich, aber dies ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung, stehen die Chancen nicht besonders gut. Die Anzahl der Männer, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe und noch kennen lernen werde, ist endlich und wenngleich es wahrscheinlich ist, dass ein Mensch aus dem selben Kulturkreis dem eigenen Herzen alleine aufgrund der geteilten Wert- und Moralvorstellungen näher stehen wird als einer von außerhalb, gibt es selbst in Deutschland noch etwa vier Millionen männliche Einwohner, von denen geschätzt ungefähr die Hälfte als potentielle Partner in Frage kommen (wenn man ausschließlich das Alter als Auswahlkriterium zugrunde legt). Die Wahrscheinlichkeit, dass ich in meinem Leben zweieinhalb Millionen Männer kennen lerne, liegt sicherlich selbst dann bei null Prozent, wenn ich mich dafür entschließen sollte ins Pornographiegewerbe einzusteigen *zwinker*. Sicherlich werde ich jemanden treffen, den ich lieben werde und mit dem ich mir ein gemeinsames Leben aufbauen will, aber die Frage, ob dieser Mensch der eine ist, wird unbeantwortet bleiben, einfach aus dem Grund, weil ich es nie besser wissen werde. Was ich gut finde, denn alles andere würde mich sicherlich verrückt machen.

In Das Spiel von Katz und Maus kristallisiert sich jedoch spätestens im zweiten Band heraus, dass Kyouichi mit Imagase ohne jeden Zweifel diesen einen Menschen getroffen hat und dies ebenfalls auf den Privatdetektiv zutrifft. Und diese unbegreifliche Liebe ist so stark, dass sie nicht nur die Grenzen von Geschlecht und sexueller Orientierung sprengt, sondern die beiden Figuren sich beinahe in dieser verlieren lässt. Ich war beim Lesen des ersten Bandes noch skeptisch: Schon wieder eine Klischeegeschichte, in der ein Charakter erpresst wird und das Schweigen seines Gegenüber mit Sex erkauft, wobei sich die beiden am Ende – obwohl eine Figur eindeutig nicht schwul ist – ineinander verlieben? Das Klang für mich wie ein wirres Märchen. Doch spätestens der zweite Band hat bei mir sämtliche Zweifel ausgeräumt. Kyouichi, der aufgrund eines eigentlich unbedeutenden Kindheitstraumas, welches ihn jedoch unverhältnismäßig stark geprägt hat, nie nach echter Liebe gesucht hat, sondern stets damit zufrieden war, wenn er eine Partnerin hatte, die ihn liebte und die er einfach glücklich machen konnte, findet in dieser Art von Beziehung keine Erfüllung, was sich in Form seiner unzähligen Affären und der Scheidung von Chikako äußert. Die Figur wird von der Angst getrieben, dass sie letztendlich verlassen wird, wenn sie in einer Beziehung Forderungen stellt oder Probleme offen anspricht. Kyouichis elementarer Persönlichkeitszug ist seine Verlustangst, die sich in Form von Passivität und einer gewissen Gleichgültigkeit äußert. Gleichzeitig ist diese Verlustangst der tieferliegende Grund dafür, dass er Imagases Annäherungen nicht nur nicht abweist, sondern sich sogar auf eine Beziehung mit diesem einlässt, obwohl er heterosexuell ist. Nichts ängstigt ihn mehr als die Vorstellung den wertvollen Freund zu verlieren, sollte er den von Imagase an ihn herangetragenen Beziehungswunsch abweisen. Bei Imagase liegt der Fall etwas anders gelagert. Er ist bereits seit seiner Studienzeit in Kyouichi verliebt und seine Gefühle für den früheren Kommilitonen zeichnen sich von Anfang an durch eine gewisse Tiefe aus. Er liebt an Kyouichi eben das, was objektiv dessen größter Makel ist: seine Fürsorglichkeit und den Drang alles zu tun, um den Partner oder die Partnerin glücklich zu machen.

Zunächst wehrt sich Kyouichi gegen die Beziehung mit Imagase, doch nach und nach beginnt er den Umstand zu genießen, von einem Menschen so bedingungslos geliebt zu werden, zumal er sich in früheren Beziehungen oft die Liebe seiner Partnerinnen mit Geschenken erkauft hat. Dies ist zunächst der einzige Grund dafür, dass er Imagase nicht abweist. Durch die stabile Beziehung und die Zärtlichkeiten, die er mit dem Privatdetektiv austauscht, erlangt Kyouichi jedoch langsam das Vertrauen darin zurück, dass ein geliebter Mensch trotz Problemen und Eifersucht bei ihm bleibt, selbst dann, wenn er sich so gibt wie er ist. Diese Entwicklung offenbart sich unter anderem in der sexuellen Interaktion mit Imagase. Während Kyouichi sich zu Beginn des Manga sehr passiv verhalten hat, traut er sich im Verlauf des zweiten Bandes mehr und mehr aktiv zu werden und die Führung zu übernehmen, zunächst allerdings nur im Bett. Gegen Ende der Geschichte gelingt es ihm jedoch, seinen Handlungsradius auszudehnen und aktiv für seine Liebe und die Beziehung mit Imagase zu kämpfen. Bis zu diesem Punkt legt Kyouichi jedoch einen beschwerlichen Weg zurück, denn seine Passivität und die Angst vor Verlust, die ihn lähmt, sind paradoxerweise der Hauptgrund, der die zwei Brüche mit Imagase initiiert, indem Kyouichi nichts unternimmt, um den Privatdetektiv am Gehen zu hindern. Imagase auf der anderen Seite ist mit seinen Gefühlen, die von Beginn an bereits sehr viel intensiver sind als jene von Kyouichi, vollkommen überfordert. Die Stärke seiner Liebe macht ihm Angst und ihre Tiefe ist im zweiten Band beinahe selbstzerstörerisch. Eigentlich liegt sie jenseits aller Vorstellungskraft. Imagase hat in Phasen beinahe Züge eines Stalkers und legte eine krankhafte Eifersucht an den Tag, die mich beim Lesen unglaublich viele Nerven gekostet hat. Letztendlich entwickelte ich jedoch ein tiefes Mitgefühl für den Detektiv, der so unfassbar tief liebt und dennoch in dem ständigen Wissen und der Angst lebt, dass die erstbeste Frau ihm den Partner unter den Händen wegstehlen könnte. In wenigen klaren Momenten kommt Imagase der Gedanke, dass er Kyouichi mit seinem herrischen Besitzverhalten die Möglichkeit auf ein ’normales‘ Leben nimmt. Diese Vorstellung lässt ihn seelisch zusätzlich leiden. Es zeigt sich jedoch gegen Mitte des ersten Bandes, dass es für ein endgültiges Loslassen längst zu spät ist, denn ein Teil von Kyouichis Herz, den er zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht begreifen kann, hat sich bereits unauflöslich mit Imagase verbunden.

Es gibt zwei Trennungen von Kyouichi, die von Imagase angestoßen werden und die daraus resultieren, dass er diesen Zustand einfach nicht länger ertragen kann und Kyouichi um seiner selbst willen verlässt. Die Separierung der beiden Figuren leitet zeitgleich jeweils einen Zeitsprung von einigen Monaten ein, während derer in Kyouichis Leben neue Entwicklungen und eine Beziehung mit seiner Arbeitskollegin Tamaki angestoßen werden. Tamaki entpuppt sich im Übrigen als sehr sympathische Nebenfigur mit einem komplexen Charakter und ohne zickige Attitüde, wie man sie häufig bei den weiblichen Antagonistinnen in Manga erlebt, wenngleich sie als Hindernis, das zwischen Kyouichi und Imagase steht, zum natürlichen Feind des Lesers wird. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass in Das Spiel von Katz und Maus die Nebenfiguren insgesamt sehr sorgfältig durchdacht und angelegt sind, sodass diese zu keinem Zeitpunkt unnatürlich oder störend wirken. Aber zurück zum Thema. Speziell die zweite Trennung von Imagase ist es, die Kyouichi bewusst macht, dass er zwar einen anderen Menschen lieben kann, diese Gefühle aber nicht annähernd an die heranreichen, die er im Laufe der Zeit für Imagase entwickelt hat. Letztendlich gelingt es beiden Figuren die tatsächliche Stärke ihrer Liebe zu realisieren und sie als wahrhaftig und allumfassend anzuerkennen. Imagase und Kyouichi geben ihr bisheriges Leben vollkommen für den anderen auf. Der Manga zeigt eine mögliche und sehr philosophische Definition wahrer Liebe, die so stark ist, dass sie sogar die Grenzen des Geschlechts und der sexuellen Orientierung überwindet, und wie viel sie zwei Menschen geben kann, die diese erleben. Gleichzeitig legt die Mangaka mit ihrem Werk jedoch auch die selbstzerstörerische Kraft offen, die einer solchen Liebe innewohnt, nämlich, wenn man einen Menschen so sehr begehrt, dass man sich selbst in diesen Gefühlen verliert und nur noch für diese eine Person existiert, so wie Imagase für Kyouichi. Ich würde so weit gehen zu sagen, dass der Leser es hier mit einer überhöhten und idealisierten Form der Liebe zu tun hat, einer, wie sie sich viele Menschen wünschen oder ausmalen, die mit der Realität jedoch nicht viel gemein hat. Doch vielleicht ist es gerade diese Vorstellung, die diesem Manga seinen Zauber einhaucht.

Bevor ich diese Rezension mit meinem Fazit abschließe, möchte ich noch auf einen Aspekt hinweisen, der diesen Manga zu einem wirklichen Goldjuwel macht: die Dialoge. Wirklich, ich habe noch keinen BL-Mange mit so wundervollen Texten gelesen. Sie sind sprachlich nicht nur toll ausgearbeitet und bedienen alle Facetten, die man sich als Romantikerin wünscht, ohne dabei kitschig zu sein, sondern auch von wirklicher Tiefe. Das Gespräch im Auto am Strand, das die beiden Figuren führen und in dem sie beschließen ihr Leben zukünftig ohne den anderen zu führen, war so realistisch und gleichzeitig so poetisch und voller Schmerz, dass ich danach vollkommen aufgelöst war. Ich denke man merkt spätestens jetzt, dass dieser Manga mich auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle geschickt hat. Ich hoffe, das wird euch ähnlich gehen (oder ging euch ähnlich) und ihr habt nun richtig Lust darauf, diese beiden fantastischen Bände zu lesen.

Fazit:

Es ist eigentlich egal, ob ihr gerne und häufig BL-Manga lest, eher selten oder noch nie einen in der Hand hattet – ich möchte euch diesen Manga trotzdem ans Herz legen! Wer von euch das Genre BL kennen lernen will und nach einem Manga sucht, der ihn mit sämtlichen Vorzügen vertraut macht, die dieses zu bieten hat, dem würde ich ebenfalls das vorgestellte Werk empfehlen. Der Manga besticht durch einen – zugegeben – gewöhnungsbedürftigen Zeichenstil, aber vor allem durch wunderschöne und tiefgehende Dialoge, mitreißende Leidenschaft, melancholische und bittersüße Sexszenen, eine romantische Kulisse, sympathische Nebenfiguren und die Frage danach, ob es die wahre Liebe geben und sie so stark sein kann, dass sie sogar jenseits von Geschlechtergrenzen existiert. Der Manga stellt das Gedankenexperiment an, was eine solche Liebe im Inneren und an der Persönlichkeit eines Menschen modifiziert. Vielleicht ist die Handlung beziehungsweise die Grundidee des Buches keine realistische, aber die Botschaft, dass im Angesicht der Liebe alles bedeutungslos wird, eben auch die sexuelle Orientierung, finde ich eine essentielle und bedeutende Message. Das Einzige: Wenn du kein großer Fan von Romantik, dramatischen Handlungssträngen und verträumten Elementen bist, wird dir dieser Manga vermutlich wenig Freude bereiten. Mir hat das Werk jedoch so gut gefallen und ich finde es so wahnsinnig toll durchdacht und poetisch, dass ich mich frage, ob ich mit meiner Rezension überhaupt am Kern seiner Schönheit kratzen und diesen ein wenig herausschälen konnte. Aber dies zu beurteilen, überlasse ich euch.

Jaa mata neeure Amaya!


2 Kommentare

Aluca · 24. März 2019 um 16:22

Danke für diese Empfehlung! Obwohl ich mich anfangs ebenfalls mit dem Zeichenstil etwas schwer getan habe, weil er recht schlicht und wenig anmutig gehalten ist, bin ich froh, dass ich mich zum Lesen dieses Mangas überwunden haben. Selten hat mich eine BL-Geschichte so sehr berührt wie diese – sie ist erwachsen, melancholisch, bittersüß, sinnlich und einfach wunderschön (und das sage ich als kein besonders großer Romantik-Fan).
Das Spiel von Katz und Maus trifft einen wirklich tief ins Herz. Selbst das eigentlich positive Ende hinterlässt einen wehmütigen Beigeschmack. Als ich mit dem Manga fertig war, habe ich mich erstmal direkt über den neuesten Kuroneko-Band hermachen müssen, um mich wieder etwas aufzubauen 😉

    Amaya · 25. März 2019 um 17:24

    Hallo Aluca,

    das freut mich, dass ich dir eine Reihe empfehlen konnte, die dir gefallen hat. „Das Spiel von Katz und Maus“ ist einer meiner Lieblingsmanga, aber er ist leider nicht so populär, wie er es verdienen würde.

    Liebe Grüße
    Amaya

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