Titel: Taste of Desire / Shitasaki ni Yoake no Aji

Genre: Boys‘ Love, Romance, Adult, Smut, Slice of Life, Cooking

Zeichnungen / Story: Aki Ueda

Bände: One Shot

Verlag: Egmont Manga

Erscheinungsjahr des 1. Bandes: 2018

Seiten: 210

Erotische Szenen: ❤❤❤

Mit Aki Ueda hat Egmont Manga eine weitere tolle Mangaka an Bord.

Heute wird es lecker, und das meine ich diesmal nicht (nur) im übertragenen Sinne: Ich möchte euch Taste of Desire von Aki Ueda vorstellen. Der einzige BL-Manga, in dem das liebste Fast Food der Japaner im Mittelpunkt steht – Ramen! Da dies mein letzter Beitrag für dieses Jahr sein wird und es hier erst im Januar 2019 weitergeht, wollte ich die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und euch das Genre mit diesem Prachtexemplar eines BL-Manga zum Abschluss des alten Jahres noch einmal richtig schmackhaft machen. Die Nudeln und Suppen in Taste of Desire sind ebenso heiß wie die beiden Köche und ich kann euch garantieren, dass hier garantiert nichts anbrennen wird *zwinker*. Der Manga ist eher leichte Kost, aber gehört trotzdem zu meinen Lieblings-Werken des Genres, weil er dem Leser das altbekannte BL-Rezept frisch aufbereitet und par excellence serviert: Sexy Typen, sehr viel heißer Sex und eine originelle sowie bodenständige Story ohne immense Dramatik und großes Brimborium.

Inhalt

Yoruji könnte mit seinem Leben eigentlich zufrieden sein. Er hat sich vor Kurzem mit seinem eigenen Ramen-Laden selbstständig gemacht und ist nun sein eigener Chef. Das Problem ist nur: Das „Yogoto“ läuft nicht! Yoruji ist zwar ein hervorragender Koch, aber dieses eine Gericht, dieses eine magische Ramen-Rezept, mit dem der gute Ruf eines Ramen-Ladens steht und fällt, das fehlt einfach. Der mangelnde Umsatz und die Sorge um den Laden treiben den frischgebackenen Jungunternehmer nach einem Trinkgelager mit Freunden in die Nacht hinaus, in der er sich verzweifelt ein Wunder erhofft. Manchmal werden Träume Wirklichkeit und plötzlich steht Akemi vor Yoruji und hält ihm eine Schüssel dampfende Ramen unter die Nase. Die beiden jungen Männer kennen sich von früher, einer Zeit, in der Yoruji noch unter seinem damaligen Chef Ramen zubereitet hat. Mittlerweile arbeitet Akemi als Koch für genau diesen Chef und Yoruji, der sich nur all zu gut an Akemis unfehlbaren Geschmackssinn und seine untäuschbare Zunge erinnern kann, nutzt die Gelegenheit und schwatzt das Ramen-Wunderkind seinem ehemaligen Vorgesetzten ab. Bereits in der folgenden Nacht stehen die beiden Ramen-Fetischisten gemeinsam im „Yogoto“ und beginnen zu experimentieren. Ihr Ziel: das perfekte Ramen! Schnell wird jedoch klar, dass Yoruji Akemis Zunge nicht nur zum Abschmecken der Nudeln benötigt…

Die gemeinsame Arbeit macht den beiden junge Männern sehr viel Spaß und so beschließt Akemi zu bleiben und Yoruji im „Yogoto“ mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften und Talenten zu unterstützen, um den Laden zu retten. Während ihrer Suche nach dem ultimativen Rezept kommen sich die nudelverrückten Köche schnell näher und beginnen eine Beziehung, in der nicht nur das Ramen köchelt… Nachdem sich der Umsatz des „Yogoto“ langsam steigert, scheint endlich alles gut zu werden, aber plötzlich taucht ein Fremder auf der Bildfläche auf, der Akemi als Koch für eine große Ramen-Kette abwerben will. Obwohl Akemi das Angebot ohne Zögern ablehnt, beginnt Yoruji sich langsam zu fragen, ob der Freund sein Talent nicht woanders besser entfalten könnte. Und so wird der letzte Kampf um die Liebe nicht am Herd, sondern zwischen den Zeilen ausgefochten.

Artwork / Gestaltung

Das Artwork von Aki Ueda erinnert mich ein wenig an die frühen Werke von Kou Yoneda, wenngleich deren Zeichnungen insgesamt noch etwas weicher und ruhiger wirken. By the way: In dem Kontext fällt mir gerade auf, dass ich von dieser Mangaka noch gar keinen Manga für den Blog unter der Tastatur hatte… Hm, da weiß ich ja jetzt schon, womit ich eventuell das neue Jahr beginnen werde! Auf jeden Fall zeichnet sich Taste of Desire durch ein für einen BL-Manga verhältnismäßig hartes und maskulines Artwork aus und grenzt sich damit ganz deutlich von Werken wie Der Klang meines Herzens ab, die sehr feminine Figuren und ein ganz auf eine weibliche Leserschaft abgestimmtes Setting umsetzen. Ausschließlich in Hinblick auf die beiden Hauptcharaktere und die Kulisse betrachtet, ist Taste of Desire ein neutraler Manga, der sowohl die Leserinnen als auch die (eventuellen) Leser unter euch ansprechen wird. Wir werden weder mit übermäßig vielen weiblichen noch mit unverhältnismäßig auswachsenden männlichen Stereotypen konfrontiert, was für mich persönlich das Lesen und Betrachten sehr angenehm gestaltet hat. Der deutsche Markt bietet mittlerweile BL-Manga mit den unterschiedlichsten inhaltlichen und künstlerischen Schwerpunkten an, weshalb ich froh bin, dass man, wenn man möchte und auf der Suche nach neuem Stoff für das schmachtende Fujoshi-Herz ist, im Jahr 2018 guten Gewissens die ganz schlimmen Klischee- und Kitschauswüchse des Genres umschiffen kann. Solltet ihr also zu der BL-Manga liebenden Fraktion gehören, die die ganzen künstlich aufgebauschten Dramen, in denen selbst ein umfallender Sack Reis eine mittelschwere Beziehungskatastrophe auslösen kann, nur noch mit spitzen Fingern anfasst, kann ich euch in diesem Belang schon einmal beruhigen: Die Beziehung zwischen Yoruji und Akemi verläuft, bis auf eine kleine Ausnahmesituation gegen Ende des Bandes (so gänzlich ohne Drama und etwas Seelenqual und Herzschmerz geht es halt in einem BL-Manga doch nicht), angenehm entspannt und unaufgeregt und wer schlicht nach einem heißen Techtelmechtel sucht, eingebettet in eine – rein objektiv betrachtet – recht alltäglichen Story, der ist mit Taste of Desire in jeder Hinsicht gut bedient. Und denjenigen, die sich nach der Inhaltsangabe die Frage gestellt haben, wie sehr die Nudel aller Nudeln dabei im Mittelpunkt steht, kann ich versichern: Ja, im Manga geht es (auch) ums Essen. Ganz speziell um die Zubereitung und das Essen von Ramen. Ja, die gesamte Handlung ist um den Betrieb eines Ramen-Ladens konstruiert. Aber darüber hinaus hat der Leser mit der japanischen Suppe nicht viel zu schaffen und ihr müsst euch keine Sorgen machen, dass ihr in philosophische Betrachtungen über Nudeln oder minutiöse Schilderungen der Ramen-Zubereitung einbezogen werdet *zwinker*. Es stehen ganz klar Yoruji und Akemi im Fokus, die als Pärchen gemeinsam die alltäglichen Hürden der Selbstständigkeit meistern. Hierzu findet ihr später mehr Details im Abschnitt „Figuren / Handlung“.

Aki Uedas Zeichenstil wirkt ausgewogen und zielgerichtet, wenngleich dem Leser einige proportionale Unstimmigkeiten auffallen und ich mich manchmal gefragt habe, ob Yoruji mit seinen enorm großen und muskulösen Armen und Händen nicht nur die ein oder andere Ramen-Schüssel zerbrochen hat, sondern auch wichtigen Körperteilen von Akemi bleibenden Schaden zugefügt haben mag… Es ist dieses Merkmal, das mir bei den beiden Figuren primär ins Auge gefallen ist, aber auf der anderen Seite sind BL-Figuren mit großen Händen keine all zu seltene Rarität, weshalb ich das einfach einmal auf den Umstand schiebe, dass die überdimensionalen Hände in diesem Genre den Fokus auf die so wichtigen und zentralen erotischen Gesten und Berührungen lenken sollen. Davon abgesehen, sind die Figuren von ausbalancierter Gestalt und vor allem die maskulinen Körpermerkmale sind von der Mangaka sehr schön herausgearbeitet worden, ohne dabei überzeichnet zu wirken. Wie bereits angedeutet, sind Yoruji und Akemi ganz offensichtlich zwei ‚richtige Kerle‘, und das manifestiert sich auch in ihrem visuellen Körperbau: Vor allem Yoruji ist sehr groß, eine richtige Erscheinung, und beide Charaktere verfügen über die typischen breiten Schultern, kantig geschnittenen Gesichtszüge und einen ausgeprägten Adamsapfel. Neben den Kieferknochen sind es in der Profilansicht besonders die Nasen- und Brauenpartie, die scharf hervorstechen und den maskulinen Eindruck noch intensivieren. In Hinblick auf die Gesichtszüge kann man zum Beispiel Parallelen zum Artwork von Sekaiichi Hatsukoi von Shungiku Nakamura ziehen. Das Figurendesign in Taste of Desire ist damit weit entfernt von der verweiblichten oder geschlechtsneutralen Darstellung, die in vielen BL-Manga überwiegt.

Die Härte und Kantigkeit wird gemildert durch den Umstand, dass die Strichführung in den Zeichnungen sehr weich und ‚hingeworfen‘ erscheint. Die Figuren, besonders ihre Gesichter, scheinen sich aus lockeren und feinen – beinahe nachlässigen – Strichen und Linien zusammenzufügen, weshalb man das Artwork insgesamt als eher skizzenhaft angelegt betrachten kann. Die Outlines und Schattierungen werden durch feine und sich vielfältig überlagernde Linien erzeugt, die weniger koordiniert und mehr ‚lässig aus dem Handgelenk geschüttelt‘ wirken. Manche Porträtzeichnungen, die zum Beispiel einfach nur ein humorvolles Mienenspiel einfangen sollen, erwecken gar eine rudimentären Eindruck, das heißt, das Gesicht nähert sich in Bezug auf die Komplexität der Strichführung dem eines Emojis an. Diese Tendenz verstärkt sich im Übrigen auch, sobald die Mangaka die perspektivische Nähe aufgibt und die Figuren aus weiterer Entfernung abgebildet werden. Durch diese Technik wird der Mimik eine eventuelle Doppeldeutigkeit genommen und die leitende Emotion der Szene ist für den Betrachter einfach und einwandfrei zu identifizieren. Durch die zum Teil ‚gekritzelt‘ wirkenden Schattierungen und Schraffuren entsteht vor allem in den Porträtzeichnungen und großformatigeren Zeichnungen eine öfter unterbrochene Strichführung, die kleine ‚Fehler‘ erkennen lässt, aber ebenfalls dazu beiträgt, dass das Artwork an Weichheit gewinnt, sich insgesamt eine gewisse Willkürlichkeit bewahrt und so eben dieser typische „Work in Progress“-Charakter erhalten bleibt, den ich an Manga so liebe und schätze (keine ‚Zeichnungen von der Stange‘, denen man kaum mehr ansieht, dass es sich dabei um Zeichnungen handelt, sondern allesamt kleine und individuelle Kunstwerke). Bei aller Unstetigkeit wurde dennoch viel Liebe in kleine Details investiert, die dem Werk einen hohen Wiedererkennungswert verleihen und besonders zur Individualität der einzelnen Figuren beitragen. Hierzu zählen beispielsweise Yorujis kleiner Kinnbart und Akemis Muttermal im Gesicht, aber auch die langen Wimpern des nervigen Konkurrenz-Unternehmers (der dadurch, pardon, etwas tuntig wirkt).

Taste of Desire ist darüber hinaus mal wieder ein Manga, bei dem die Gestaltung des Covers nicht dem Zufall überlassen wurde. Wenn man den Band gelesen hat und mit dem Inhalt vertraut ist, wirkt das Titelmotiv wohlüberlegt und sinnvoll durchkomponiert, vor allem in Hinblick auf die zentralen symbolischen Gegenstände. Akemi, der eine klassische Ramen-Schüssel in der Hand hält und gewitzt die Zunge herausstreckt, transportiert damit gleich zwei inhaltliche Botschaften: Im Zentrum des Manga steht der gemeinsame Ramen-Laden, dem Akemi mit seinem untrüglichen Geschmackssinn zum Erfolg verhilft. Gleichzeitig deutet die sichtbare Zungenspitze sehr dezent die sinnliche beziehungsweise erotische Beziehung an, die Akemi und Yoruji zueinander entwickeln, denn die Zunge ist ja gemeinhin ein sehr sensibles Sinnesorgan, mit dem wir unsere Umwelt und, in diesem Fall, den Körper des Partners erkunden. Der schlafende Yoruji, der sich entspannt und vertrauensvoll an Akemis Rücken lehnt, drückt durch diese Position bereits aus, welche Rolle Akemi im Manga einnehmen wird, nämlich die einer unersetzbaren Stütze für den teilweise bis zur Erschöpfung arbeitenden Yoruji. So fokussiert der Manga sich bereits mit dem Coverbild auf einen weiteren inhaltlichen Aspekt des Bandes, denn es werden hierin die Grundpfeiler einer stabilen Beziehung abgebildet und ausgelotet: gemeinsame Interessen oder Leidenschaften, Vertrauen und die Fähigkeit, dem Partner Raum für eigene Entscheidungen zu lassen.

An manchen Stellen hat mich visuell gestört, dass die Sprechblasen nicht immer einwandfrei durch entsprechende Markierungen zugeordnet waren und ich einige Dialoge für die korrekte Einordnung öfter lesen musste. Davon abgesehen, ist Taste of Desire strukturell eines der sehr gelungenen Werke. Vielleicht hätte ich mir in einzelnen kleineren Panelen / auf einzelnen Seiten hin und wieder etwas weniger Action gewünscht, die dadurch, dass möglichst viel visueller Inhalt in ihnen untergebracht wurde (Figuren, Hintergründe, Texte, Lautmalereien usw.), in einigen Fällen überladen und unübersichtlich wirken, aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau und man muss hierzu außerdem anmerken, dass Taste of Desire sowieso ein schon recht dicker Manga ist und die im Gegensatz zu anderen Werken leicht erhöhte Anzahl der Panele pro Seite vielleicht auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Länge des Bandes im Rahmen gehalten werden musste. Dem Auge bietet der Manga jedoch durch den Einsatz unterschiedlichster zeichnerischer Mittel genügend Anhaltspunkte, die eine angemessene visuelle Differenzierung der Bilder erlauben, ohne bei der Betrachtung zu sehr anzustrengen. Hierzu zählt, dass unterschiedlichste Strukturen aufgegriffen und von der Mangaka zeichnerisch umgesetzt wurden, zum Beispiel Stoffmuster und -farben oder die grundlegende Optik von Materialien wie Holz. Panele, die auf der entsprechenden Seite hervorgehoben werden sollen, sind mit feiner Rasterfolie überlagert, was sie durch den dadurch entstehenden dunkleren Grundton von den anderen Zeichnungen abhebt. Diese Methode trägt ebenfalls zur optischen Gliederung und Strukturierung der Seiten bei.

Erotik

Nachdem ich im vorherigen Absatz bereits ziemlich viel zum Artwork geschrieben habe, soll nun natürlich auch der Erotik-Faktor von Taste of Desire nicht zu kurz kommen *zwinker*. Unsere beiden heißen Ramen-Boys lassen in dieser Hinsicht nämlich nichts anbrennen und Aki Ueda räumt Akemi und Yoruji wirklich sehr viel Raum für Aktivitäten ein, die jenseits der Küche stattfinden (zumindest hauptsächlich). Obwohl der Sex eigentlich die große Stärke des Manga ist, ist er gleichzeitig seine größte Schwäche, denn, so viel sei schon einmal gesagt, wirklich sinnvoll ist er nicht. Aber gut, die Kategorie des Sinns kann man guten Gewissens auch einmal außer Acht lassen, wenn es so häufig heiß hergeht und einem beim Lesen mit Sicherheit nicht warm wird, weil man die Hitze des Kochtopfs spürt *räusper*… Ich würde es insgesamt sogar eher positiv betrachten, dass Akemi und Yoruji in punkto Erotik so aufs Gaspedal treten, denn ohne die entsprechenden Szenen wäre der Manga wahrscheinlich sehr unspektakulär oder, wenn man es böse formulieren möchte, langweilig. Da die großen Dramen, die sich in vielen BL-Werken abspielen, eigentlich gänzlich ausbleiben und der schlechte Umsatz des „Yogoto“ Yoruji zwar zu Beginn große Sorgen bereitet, sich diese aber ohne weitere Katastrophen schnell in Wohlgefallen auflösen, bleibt die Handlung an sich wirklich sehr auf das Nebengenre Slice of Life fokussiert, was letztendlich heißt, dass der Leser vor allem eines tut: Er sieht Akemi und Yoruji beim Verlieben und Vor-sich-hin-leben zu. Und beim Vögeln *hust*. Ich würde schätzen, dass die erotischen Szenen zusammengerechnet mindestens die Hälfte von Taste of Desire ausmachen. Wer also in BL-Manga viel Wert auf wirklich guten und ausufernden Sex legt, dem kann ich raten: Meine Damen und Herren, greifen Sie zu!

Der Spannungsbogen, der der äußeren Rahmenhandlung oder dem ‚Mantel‘ gänzlich fehlt beziehungsweise gegen Ende des Bandes einen etwas müden Ausschlag auf der Messskala zeigt, wird geschickt durch die Steigerung der sexuellen Spannung komprimiert. Die erotische Interaktion zwischen Akemi und Yoruji steigert sich von einigen heißen Kussszenen zu Beginn des Werks bis hin zur Mitte des Manga beständig, wo die beiden das erste Mal ‚richtig‘ miteinander schlafen. Diese Technik der Mangaka finde ich sehr überlegt und taktisch klug, denn, um es mal etwas obszön zu formulieren, so steht die imaginäre Erektion der Leser über weite Teile des Manga prächtig und verliert nicht bereits nach den ersten Seiten an Blut. Ich entschuldige mich an dieser Stelle für die etwas perverse Metapher *räusper*. Taste of Desire ist zudem ein Werk, dass endlich einmal wieder mit wirklicher Leidenschaft und authentischem Verlangen aufwartet. In meinen letzten Lektüren, zum Beispiel in Unser unstillbares Verlangen (TOKYOPOP, 2018), war mir der Sex teilweise schon etwas zu dramatisch. Da wurden im Bett ganze gescheiterte Kindheiten und biographische Traumata mit zerstörerischem Geschlechtsverkehr aufgearbeitet und ich bin im Großen und Ganzen eigentlich der Meinung, dass zum Beispiel Vergewaltigungserlebnisse nicht verarbeitet werden sollten, während man es gerade miteinander treibt. Aber gut – BL eben. Um zurück zum Thema zu kommen: Taste of Desire bleibt in dieser Hinsicht dankbarer Weise dezent zurückhaltend und ich habe den Anblick dieses hemmungslosen Aktes, von dem nicht durch unterschwellig mitlaufende Subproblematiken abgelenkt wird, die ihm die Erotik nehmen, sehr genossen. Man sich als Leser vollkommen auf die erotischen Darstellungen konzentrieren und Aki Ueda zieht hier wirklich alle Register ihres nicht unbeachtlichen Könnens. Akemi und Yoruji praktizieren männlichen, heißen und sehr leidenschaftlichen und hemmungslosen Sex, dessen szenische Darstellung sich jeweils über eine gute Länge von mehreren Seiten ausbreitet. Zu den Szenen selber kann ich eigentlich nur sagen, dass sie sowohl visuell als auch strukturell wirklich hervorragend umgesetzt wurden. Während ich in manchen Manga die Szenensprünge beziehungsweise ‚Schnitte‘ (um einmal im Filmjargon zu sprechen) hasse, die alles, was zwischen dem anbahnenden Kuss und dem bereits weit fortgeschrittenen Akt liegt, darstellerisch gänzlich aussparen, sind die Sexszenen in Taste of Desire wundervoll durchkomponiert und lassen den Leser auch in den Genuss des Vorspiels kommen. Der Leser erfährt auf diese Weise auf der zeichnerischen Ebene zum Beispiel, dass – vorbildlich! – Yoruji Wert auf Kondome legt *zwinker*. Es gibt ihn also, den Safer Sex in BL-Manga!

Dadurch, dass Akemi und Yoruji im Rahmen ihrer Sexualität sehr frei und ungezwungen auftreten und das Thema Homosexualität eigentlich nur ganz am Rande mitschwingt und als völlig unproblematisch betrachtet wird, bleibt dem Manga sehr viel Spielraum für hemmungslose Leidenschaft und verspielte Intimität. Das erotische Grundfeeling wird vor allem durch die offene Darstellung aller Aspekte erzeugt, die beim Sex eben eine Rolle spielen: vor Erregung gerötete Gesichter, verschleierte Blicke, verschiedene Positionen und Praktiken und besonders leidenschaftliche Küsse und zärtliche Berührungen, die die Mangaka in wundervollen stimmungsvollen und großformatigen Zeichnungen einfängt. Es wird einem beim Betrachten schon ziemlich heiß, wenn Akemi im Orgasmus erzittert und Yoruji ihm dabei zärtlich über den Hals streicht, um nur einmal ein Beispiel zu nennen. Natürlich wird der Sex in vollendeter BL-Manier etwas geschönt, aber eine kleine Prise Authentizität ist dennoch erhalten geblieben, was ich sehr erfrischend fand. Primär Yoruji wird zu Beginn des Manga mit einigen klassischen ‚Problemstellungen‘ konfrontiert: Wie schläft man eigentlich mit einem Mann und was muss man tun, damit sich der Sex auch für den Partner gut anfühlt? Dass zwischen den beiden frisch Verliebten nicht gleich alles klappt wie geplant und besonders für den Uke Akemi nicht völlig schmerzfrei über die Bühne geht, hat für erheiternde Momente gesorgt und wurde wunderbar entspannt dargestellt.

Überhaupt sind der Humor und die aus dem Leben gegriffene Situationskomik weitere Pluspunkte, die nicht nur die erotischen Szenen, sondern den gesamten Manga auflockern und unterhaltsam gestalten. Die beiden Figuren wirken dadurch, dass die Mangaka Akemi und Yoruji sogar beim Sex noch ihre Beziehung und die Arbeit im „Yogoto“ diskutieren lässt, sehr sympathisch und authentisch. Darüber hinaus fährt Taste of Desire in den erotischen Szenen einen angenehmen Mittelweg zwischen ästhetischer Darstellung und reiner Pornographie. Die Geschlechtsteile werden an einigen wenigen und unauffälligen Stellen explizit gezeigt, aber sie sind durch eher als minimalistisch zu bezeichnende weiße Linien zensiert und werden davon abgesehen, wenn man den gesamten Kontext betrachtet, elegant verdeckt. Einige wenige Uke-Seme-Klischees erfüllt Taste of Desire in Hinblick auf Akemi und Yoruji, vor allem was die optische Erscheinung anbelangt, aber ansonsten bleibt der Manga auch hier angenehm zurückhaltend und ich fand es vor allem positiv, dass die beiden Männer als gleichberechtigte Partner auftreten und nicht der Wille der einen Figur von der anderen dominiert wird. Neben Akemis blonden Haaren und der geringeren Körpergröße weißt ihn vor allem seine freche und ungebundene Art als Uke aus, während Yoruji durch seine dunklen Haare, seine imposante physische Erscheinung und sein teilweise besitzergreifendes Verhalten zum Seme wird. Was vielleicht noch anzumerken ist: Wer weniger auf Sexszenen mit viel Geschlürfe, Gesabber und Gelecke steht, der hat an Taste of Desire eventuell weniger Freude *zwinker*. In den entsprechenden Szenen fließen doch recht viele Körperflüssigkeiten und das viele Gegutsche, Gesquelche und Gethruste (ich meine die Lautmalereien) erweckt auf manchen Seiten einen beinahe chaotischen und unübersichtlichen Eindruck. Wenn ihr keine Probleme mit den Sexszenen in It’s the Journey not the Destination hattet, dann dürfte Taste of Desire allerdings keine Herausforderung für euch darstellen *hust*.

Figuren / Handlung

Der viele Sex in Taste of Desire hat leider einen weiteren Nebeneffekt: Das Charakterdesign der Figuren bleibt ein wenig auf der Strecke. Das soll nicht bedeuten, dass Yoruji und Akemi lieblos ausgearbeitet oder gar völlig ohne psychologische Tiefe gestaltet sind, aber da es außerhalb der seidenen Laken wenig Reibungspunkte zwischen den beiden Protagonisten gibt, werden ihre jeweiligen charakterlichen Stärken und Schwächen nicht so offensichtlich wie in anderen Manga und es gibt für die Mangaka keine Gelegenheit, um in menschliche Abgründe abtauchen zu können. Man kann Akemi und Yoruji insgesamt als ein sehr harmonisches Paar beschreiben, was auf der anderen Seite eigentlich auch einmal eine für einen BL-Manga sehr angenehme Erfahrung beziehungsweise Abwechselung ist *zwinker*. Denn was die beiden zusammenschweißt, ist vor allem ihre gemeinsame Leidenschaft für die Ramen-Herstellung. Somit liegt in Taste of Desire eine recht ungewöhnliche Konstellation vor, die man in dieser Art tendenziell nur in wenigen BL-Manga findet: Beide Hauptfiguren sind im selben Alter, haben die selben Interessen und sind auch in allen anderen Aspekten sehr kompatible Persönlichkeiten. Normalerweise stürzen sich BL-Manga gerne auf extrem gegensätzliche Paarungen, denn diese bergen das größte Konfliktpotential und somit viiiiiiel Handlungsspielraum für Beziehungsdramen aller Art. Ich lese eigentlich gerne Werke, die diese Grenzgänge abhandeln, da sich die Handlung hier in den meisten Fällen sehr dramatisch entwickelt und der Leser oftmals mit den Abgründen der menschlichen Psyche konfrontiert wird und allen Themenfeldern, die einen guten Psychothriller ausmachen (ein Beispiel ist hier unter anderem Finder, denn unterschiedlicher als Takaba und Asami können zwei Figuren sicher kaum sein).

Ihre Leidenschaft für Ramen macht aus Akemi und Yoruji zwei Seelenverwandte der umgänglichen und menschlichen Art, was natürlich besonders dem Umstand geschuldet ist, dass – im Gegensatz zu anderen Werken – die Kompatibilität der beiden Männer nicht auf einem von beiden Figuren durchlebten physischen oder psychischen Leid oder Erlebnis fußt, das heißt innerer Natur ist, sondern sich auf eine äußerliche Tätigkeit richtet, die der Beziehung keinen so bleibenden und ernsthaften Schaden zufügen könnte, wie es der Fall wäre, wenn das Gefühl der Verbundenheit zwischen den beiden Figuren auf labilem, psychologisch determinierten Grund errichtet werden würde. Auch hier komme ich wieder auf Unser unstillbares Verlangen als Beispiel zurück. Die beiden Hauptcharaktere dort sind durch sexuelle Misshandlung traumatisiert, die eine Figur durch das vielfache Erleben, die andere Figur durch das andauernde Miterleben einer solchen. Der Wunsch nach Stabilität und Liebe auf der einen Seite und das Verlangen Schutz zu geben auf der anderen Seite bilden gemeinsam die Basis der Beziehung. Würde eines dieser Bedürfnisse verschwinden, gäbe es kein Band mehr, welches die beiden Liebenden aneinander knüpft. Die Beziehung zerbräche unweigerlich. Kämen jedoch Akemi oder Yoruji in die Situation, dass eine der beiden Figuren auf einmal nicht mehr an der Herstellung von Ramen interessiert wäre, müsste dies nicht unbedingt das Ende der Liebesbeziehung bedeuten, denn es gibt über die nach außen gerichtete Interessen hinaus weitere emotionale Berührungspunkte, die die beiden Männer zusammenschweißen (und damit meine ich nicht nur das sexuelle Begehren!).

Die Chemie zwischen den beiden Männer stimmt auf der emotionalen Ebene einfach und sie ergänzen sich auch in Bezug auf ihre Persönlichkeit hervorragend. Yoruji neigt zum Grübeln, Sorgen und Analysieren und frisst alles in sich hinein, was sich vor allem daran zeigt, dass er bis zur völligen Erschöpfung arbeitet. Er ist ein sehr nach innen gekehrter und vielleicht etwas schwermütiger Charakter. Akemi ist in dieser Hinsicht der ergänzende beziehungsweise harmonisch entgegenwirkende Part, der sein Herz auf der Zunge trägt und seine Meinung und Wünsche offen und direkt kommuniziert. Er neigt weniger zu rationalen und überlegten Entscheidungen, sondern sieht Notwendigkeiten und handelt entsprechend dieser, jedoch eher aus instinktiven Tendenzen heraus. Akemi ist es, der Yoruji zu ausreichenden Pausen drängt, und obwohl Yoruji im Affekt den ersten Schritt wagt, ist es letztendlich Akemi, der sein zunächst rein sexuelles Interesse an Yoruji offen zeigt und die Befriedigung desselben aktiv einfordert. Steht für Akemi eine Entscheidung einmal fest, gibt er nicht mehr nach und verfolgt sehr hartnäckig und beinahe stur oder dickköpfig den Weg, den er als den richtigen erachtet. Diese Eigenschaft ist es vor allen anderen, die die brenzlige Situation gegen Ende des Manga entschärft. Die Beziehung zwischen den beiden Figuren gefällt mir aus dem Grund so gut, weil jeder Charakter seinen Teil dazu beiträgt, dass sie Bestand hat. Die beiden Männer ziehen als Paar ‚an einem Strang‘, wie man im Deutschen so gerne formuliert, und agieren dabei stehts auf Augenhöhe. Keiner der beiden Partner versucht den anderen in seinen Entscheidungen auf eine Art zu dominieren, die an Unterdrückung grenzt, wie man es oft in anderen BL-Manga vorfindet. In Taste of Desire liegt endlich einmal eine rundum gesunde Uke-Seme-Beziehung vor und es macht beim Lesen einfach Freude, die beiden Figuren dabei zu beobachten, wie sie mit ganzem Herzen und ganzer Seele gemeinsam an neuen Konzepten zur besseren Vermarktung des „Yogoto“ arbeiten.

Wenngleich ich den Titel des japanischen Originals schöner und etwas poetischer finde, bin ich dennoch der Meinung, dass auch der deutsche (beziehungsweise englische) Titel endlich einmal gut gewählt ist. Mit gefällt das Spiel mit Doppeldeutigkeiten und Taste of Desire könnte in dieser Hinsicht kaum besser formuliert sein. Der Titel spielt zum einen ganz konkret auf den einzigartigen Geschmack der von Yoruji und Akemi kreierten Ramen an, der bei den Kunden des „Yogoto“ eben jenes Begehren hervorrufen soll. Zum anderen finden wir hier eine abstraktere Anspielung auf die brennende Leidenschaft von Akemi und Yoruji, nicht nur für die Nudeln, sondern vor allem füreinander, die wohl die Triebfeder dafür ist, dass der einzigartige Geschmack der Ramen-Gericht überhaupt zustande kommt. Die Liebe zueinander und zu ihrem Beruf wird in den Speisen des „Yogoto“ und ihrem Geschmack reflektiert. Das ist wohl eine Ideologie, nach der viele Köche streben *zwinker*. Die Übersetzung des japanischen Originaltitels bedeutet übrigens so viel wie „Der Geschmack von Morgendämmerung auf meiner Zungenspitze“. Ich finde diesen etwas stimmiger, da die Metapher der Morgendämmerung und Nacht sich als Leitfaden durch den Manga zieht und quasi sein zentrales Motiv bildet. „Yogoto“ bedeutet in diesem Kontext zum Beispiel „jede Nacht“. Überträgt man dies auf die Geschichte, könnte man interpretieren, dass Yoruji bis zur Zusammenarbeit mit Akemi in einer Art Nacht gefangen war, da sein Laden nicht gut lief und er selbst verzweifelt in einer Sackgasse feststeckte. Der Begriff der Morgendämmerung kann in diesem Zusammenhang mit Akemi und der sich entwickelnden Liebe der beiden Männer zueinander assoziiert werden, denn mit Akemis Auftauchen und seinen Fähigkeiten wird Yorujis ‚Nacht‘ immer heller, sowohl persönlich als auch beruflich, bis er schließlich seine grundlegenden Ziele erreichen kann und mit dem neuen ‚Morgen‘ für das „Yogoto“ eine Zeit des Neubeginns anbricht. Nicht zuletzt auch für Yoruji selbst, denn er hat nun einen Partner an seiner Seite, dem er mit großer Aufrichtigkeit und tiefer Liebe verbunden ist.

Fazit

Taste of Desire von Aki Ueda ist ein sehr erotischer Manga, der viele explizite Szenen enthält, dabei jedoch gekonnt auf dem schmalen Grad zwischen ästhetischer Darstellung und Pornographie balanciert. Der Manga ist erfrischend bodenständig und undramatisch überzeugt vor allem mit seiner Unaufgeregtheit und bodenständigen Handlung, die man primär im Genre Slice of Life verorten kann. Wir erleben ein sehr harmonisches Paar, das – im Gegensatz zu vielen anderen BL-Figuren – eine für ein Boys‘ Love-Werk beinahe zu normale Beziehung führt, in der sich beide Partner auf Augenhöhe begegnen und der Uke, obwohl es beim Sex eine klare Rollenverteilung gibt, nicht vom Seme dominiert wird. Wer also Wert auf eine verhältnismäßig realistische und authentische Darstellung von homosexuellen Beziehungen legt, dabei jedoch nicht zwingend mit Themen wie Homophobie konfrontiert werden möchte, sollte bei Taste of Desire auf jeden Fall zugreifen. Abgesehen von einigen kleinen äußerlichen Merkmalen und Charakterzügen wird das klassische Uke-Seme-Schema von der Mangaka nämlich völlig außer Acht gelassen. Eine tiefgründige Handlung oder in psychologischer Hinsicht virtuos ausgestaltete Figuren, die sich emotional aneinander reiben, sucht man im Manga jedoch vergeblich. Die vielen Sexszenen lassen diese Aspekte letztendlich doch stark in den Hintergrund treten, aber insofern man schlicht auf der Suche nach einem Werk ist, dass vor allem das BL-Genre intensiv bedient, ist der Manga sicherlich eine der herausragenden Neuerscheinungen 2018. Ich würde das Werk als unterhaltsames und sehr erotisches Lesevergnügen einordnen, das sich selbst nicht all zu ernst nimmt und besonders darin hervortut, aus alltäglichen Lebensentwürfen eine lesenswerte Geschichte zu gestalten, die aufgrund ihrer Schlichtheit vielleicht die Leser unter euch langweilen wird, die in der Regel actionlastige oder zerstörerische und düstere BL-Manga bevorzugen. Neben hemmungsloser und sehr mitreißender Leidenschaft überzeugt Taste of Desire besonders mit humorvollen und authentischen Dialogen und einem markanten Artwork, das dem Leser einen gefestigten Zeichenstil anbietet, sich jedoch trotzdem seine Skizzenhaftigkeit und eine gewisse Weichheit bewahrt. Zusammen mit dem mit Bedacht gewählten Titel ergibt sich ein rundes Gesamtpaket, dass ich jedem Boys‘ Love-Fan, der ruhigere Geschichten favorisiert, ohne Bedenken ans Herz legen kann.

Jetzt wünsche ich euch メリークリスマス (Merīkurisumasu / frohe Weihnachten) und ハッピーニューイヤー (Happīnyūiyā / ein glückliches neues Jahr)!

Jaa mata ne, eure Amaya!


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