Titel: Der Klang meines Herzens / Nibiiro Musica

Genre: Boys‘ Love, Drama, Romance, Music

Zeichnungen / Story: Kemeko Tokoro

Bände: 5 / abgeschlossen

Verlag: Kazé

Erscheinungsjahr des 1. Bands: 2018

Erotische Szenen: ❤❤

Bei Kazé Manga findet ihr hier eine Leseprobe.

Da ich ab heute endlich ein paar Tage Urlaub habe und es bekanntlich nichts besseres im Leben gibt – außer BL-Manga, versteht sich *zwinker* -, will ich meine neu errungene Freiheit neben Lesen, Schreiben und Sport vor allem für zwei Dinge nutzen, die ich bereits seit längerer Zeit plane: Eine Rezension zu Ten Count schreiben und einen Manga relativ zeitnah nach seiner Publizierung besprechen. Für Ten Count müsst ihr euch noch bis zum nächsten Wochenende gedulden, da ich den Manga im Laufe dieser Woche nach längerer Zeit noch einmal lesen muss, aber zweiteres Vorhaben will ich mit diesem Beitrag in die Tat umsetzen. Der Klang meines Herzens ist am 04. April in Deutschland erschienen und ich hatte diesen Manga von Kemeko Tokoro bereits vor Wochen (oder Monaten *grübel*) vorbestellt. Daher lag er pünktlich in meinem Briefkasten. Als ich irgendwann Ende letzten oder Anfang diesen Jahres gesehen hatte, dass der Manga auf Deutsch publiziert werden wird, bin ich in Entzückungsschreie ausgebrochen, die meine Schwester beinahe zu Tode verängstigt haben – ‚tschuldigung, Schwesterherz *grins* – , und das hat vor allem einen Grund: Ich habe den Manga bereits einmal in der japanischen Originalversion ‚gelesen‘ (oder eher angesehen) und – klar – kein Wort verstanden, aber, WOW, ich war trotzdem hellauf begeistert von dem wunderschönen Artwork. Ihr wisst ja, ich habe nicht nur eine Schwäche für hübsche Männer, sondern auch für außergewöhnliche Zeichenstile, die mich auch einmal über den ein oder anderen Mangel in der Handlung hinwegsehen lassen. Ob die Story hält, was das Figurendesign verspricht, werdet ihr also erst am Ende dieser Rezension wissen *zwinker*.

Inhalt

Takuma und Yuki standen sich als Klassenkameraden und Freunde sehr nahe. Yuki, der bereits als Schüler ein hervorragender Cellist ist, verlässt nach dem Schulabschluss jedoch Takumas Seite und geht zum Musikstudium nach Italien, um professioneller Musiker zu werden. Mit dem Versprechen, eines Tages ein Solokonzert für Takuma zu geben, der seinen Freund immer in seinem Traum bestärkt hat, bleibt dieser zurück. Während des Studiums bricht die Verbindung zwischen den beiden Jungen jedoch ab und Takuma hört nie wieder etwas von seinem ehemals besten Freund. Auch zehn Jahre später kann er sich Yukis Schweigen, dass ihn nie losgelassen hat, nicht erklären. Es kommt zu einem unverhofften Wiedersehen zwischen den beiden jungen Männern, nachdem sich ein Klient des sozialen Hilfsdienstes, für den Takuma nun arbeitet, als Yuki entpuppt. Durch einen schweren Unfall während des Studiums seines Augenlichts fast vollständig beraubt, erkennt Yuki Takuma nicht und dieser hält seine wahre Identität vor seinem Freund geheim. Was kommt, ist unvermeidlich: Yuki fasst Vertrauen zu seiner neuen Betreuungskraft und gesteht unwissentlich Takuma ein, dass er seit seiner Jugend in diesen verliebt ist. Im Wirrwar der Gefühle lässt Takuma sich küssen und begeht schließlich einen entscheidenden Fehler. Yuki findet daraufhin heraus, um wen es sich bei dem augenscheinlich unbekannten Hilfsdienstmitarbeiter tatsächlich handelt. Fortan scheint es ungewiss, ob Takuma Yukis Freundschaft – und mehr noch, seine Liebe – nach diesem Vertrauensmissbrauch wiedergewinnen kann. Und in welchem Zusammenhang steht außerdem Yukis Unfall mit dem plötzlichen Kontaktabbruch und seiner Karriere als Cellist?

Artwork / Gestaltung

Pauschal kann man sagen, dass Der Klang meines Herzens wohl ein typischer Mädchen-Manga ist. Alles glitzert, glänzt und funkelt und im Wesentlichen bin ich dankbar, dass Manga nur in schwarz-weiß erscheinen, da ansonsten sicherlich alle Farben des Regenbogens zum Einsatz gekommen wären. Ihr könnt daher schon einmal verbuchen, dass man definitiv eine kleine Vorliebe für Kitsch haben sollte, damit einem Kemeko Tokoros Werk gefällt. Wer hier bereits länger mit liest, der weiß jedoch sicherlich, dass ich über diesen Charakterzug eindeutig verfüge, weshalb der Rest von euch mir verzeihen muss, wenn ich mich an dieser Stelle mal wieder in Schwärmereien für einen Manga verliere, der von der Gestaltung her direkt aus dem Land der Glücksbärchis zu stammen scheint. Was ich damit sagen will: An jeder sich bietenden Stelle ist im Manga Rasterfolie eingefügt, die funkelnde Luftblasen, glitzernden Feenstaub, strahlende Lichtprismen und allerlei anderes Gedöns auf die Figuren niederregnen lässt. Vom Stil her kann man Der Klang meines Herzens in dieser Hinsicht mit den Manga von Junko vergleichen. Auch Kazé hat sich nicht lumpen lassen und den Titel des Manga sowie die Seite mit dem Inhaltsverzeichnis in glänzender Silberfolie gehalten. Manchmal ist es schon viel, was man als Leser da verkraften muss, aber ich hoffe, dass das Werk sich trotzdem bei dem ein oder anderen einen Platz in seinem Herzen erglitzern wird *zwinker*.

Die Panele verhalten sich inhaltlich sehr ruhig. Es gibt nur wenig Szenerie und Hintergründe und aus diesem Grund stehen ganz klar die Figuren im Mittelpunkt, die in 90 Prozent der Fälle die Seiten füllen. An Kemeko Tokoros Artwork gefällt mir, dass es es insgesamt sehr erwachsen und gefestigt wirkt, jedoch trotzdem etwas Verspieltes und Leichtes behält. Es passt sehr schön zur Geschichte, die der Manga erzählt, dass es an keiner Stelle zu hart oder grob erscheint. Im Gegenteil, die Eleganz und Grazie, die man mit musikalischen Themen assoziiert, spiegeln sich im Zeichenstil der Mangaka und dem gesamten Setting des Manga wieder. Die Strichführung ist sehr fein gewählt und dabei jedoch trotz allem sicher gesetzt, was eine ausgewogene und für die Augen sehr schmeichelnde Balance zwischen skizzenhaften und graphischen Zeichnungen erzeugt.

In diesem Kontext sind mir die Dialoge und Gedankenbeigaben zunächst positiv aufgefallen. Der Manga ist insgesamt eher arm an Textelementen, welche jedoch äußerst präzise gesetzt sind und durch Kürze und Klarheit bestechen, eine Merkmal, das nicht jeder Manga für sich beanspruchen kann. Ich habe schon genügend BL-Mange gelesen, in denen die Dialogführung mit der Zeit relativ wirr wurde und es der Mangaka scheinbar schwer fiel, neben den Zeichnungen auch zusammenhängende und logisch nachvollziehbare Textelemente zu schaffen, die das visuelle Geschehen sprachlich sinnvoll ergänzen und damit die Handlung für den Leser nachvollziehbarer gestalten beziehungsweise erst in Symbiose mit dem Artwork eine stringente und kohärente Geschichte erzählen. Die Dialoge sind insgesamt von sehr poetischer und emotionaler Natur und drehen sich primär um die Gedanken und Gefühle der Protagonisten. Ich kann nicht viel zur Übersetzung sagen, aber im Großen und Ganzen ist Der Klang meines Herzens mal ein Werk, in dem mir die sprachliche Umsetzung sehr präzise, durchdacht und stilvoll erscheint. Daher sind mir die Dialoge in den erotischen Szenen etwas aufgestoßen, die irgendwie nicht richtig in das ansonsten so stilvolle Gesamtbild passen wollen. Das liegt natürlich nicht an der Übersetzung, aber ein „Yuki, du bist heute so unanständig“ aus heiterem Himmel erschien mir persönlich zum Beispiel wenig authentisch und wirkte auf mich wie eine sehr klischeehafte und hohle Phrase, die meine Ohren aus Verlegenheit ein wenig rot anlaufen ließ. Ein klassischer Fall von Fremdschämen. Doch von diesem kleinen Manko abgesehen, ist der Manga nicht nur angenehm zu betrachten, sondern auch ebenso zu lesen.

Zum Abschluss dieses Absatzes will ich noch zu dem Aspekt kommen, wegen dem ich den Manga so wunderschön fand: das Figurendesign! Yuki und Takuma sind die wohl mit elegantesten und hübschesten BL-Manga-Figuren, die der Markt aktuell zu bieten hat. Aufgrund der unwahrscheinlich feinen und leicht fließenden Strichführung erinnern mich die beiden ein wenig an das spätere Artwork von Naoko Takeuchi, die Sailor Moon gezeichnet hat. Diejenigen unter euch, die den Manga gelesen haben, können mit diesem Vergleich vielleicht etwas anfangen. Yuki und Takuma sind als Figuren genau so stilvoll wie das restliche Ambiente von Der Klang meines Herzens. Sie sind beide über alle Maßen groß und feingliedrig gebaut, mit langen und dünnen Fingern und – in Hinblick auf Yuki – einem Kleidungsstil, der im wahren Leben wohl jeden Cellisten vor Neid erblassen lassen dürfte. Yuki trägt in der Regel weich fließende Stoffhosen und weit ausgeschnittene Shirts, über die er häufig einen schlichten Blazer zieht. Takuma ist sportlicher gekleidet, oftmals in Jeans und Pullover oder Strickjacke, was aber seiner ebenfalls grazilen Erscheinung keinen Abbruch tut. Die beiden Figuren gehören zu der Kategorie von männlichen Charakteren, die geschlechtslos wirken und aufgrund ihres Körperbaus etwas sehr Feminines und Verletzliches ausstrahlen. Zu diesem Eindruck trägt vor allem der Umstand bei, dass bei beiden Figuren die zart geschwungenen und stark hervorstechenden Schlüsselbeine sichtbar sind, nicht zuletzt auch aufgrund ihres Kleidungsstils mit den weit ausgeschnittenen Oberteilen, ein Merkmal, welches ich eigentlich immer mit einem weiblichen Stil und einer eben solchen Körperstatur assoziiere. Beide Figuren sind so feminin, dass ich zu Beginn des Manga sehr unsicher war, wer in der Beziehung später einmal Uke und wer Seme sein wird, was bei mir äußerst selten der Fall ist.

Bezüglich des Figurendesigns stechen primär die Gesichter der Charaktere heraus. Die Gesichtszüge sind sehr präzise gezeichnet, dabei jedoch merkwürdig spitz und straff gehalten, vor allem die Linien von Kinn, Kieferknochen und Nase. Frontal betrachtet, erscheinen die Konturen sehr schmal und lang gezogen und in ein zugespitztes Kinn auslaufend. Dies könnte leicht sehr hart und markant wirken, allerdings wird dieser Eindruck durch die ausdrucksvollen und katzenhaften Augen mit den unfassbar langen und transparenten Wimpern gemildert. Die faszinierende Schönheit des Artworks liegt vordergründig wohl in diesen Merkmalen der Figuren begründet, denn ich denke, in vielerlei Hinsicht entsprechen diese dem Schönheitsideal, das uns gerne auf den großen Modenschauen in Paris und Mailand vor Augen geführt wird. Und ganz ehrlich: Auf diese Wangenknochen, Katzenaugen und Figur währe wahrscheinliches jedes Model neidisch! Der strenge Eindruck wird im Halbprofil wieder etwas abgeschwächt, in welchem besonders bei Takuma eher eine menschliche Form durchscheint. Überhaupt wirkt Takuma aufgrund seiner zu Weilen leuchtenden und großen Kinderaugen weniger streng und abweisend als Yuki. Wenn man diesen als eleganten und grazilen Geparden klassifizieren würde, dann wäre Takuma eine Mischung aus verspieltem Löwenbaby und einer zierlichen Hauskatze. Tatsächlich waren diese Raubkatzenassoziationen auch das Erste, was sich mir beim Betrachten der Figuren aufdrängte. Das Artwork dieses Manga bestätigt auf jeden Fall meine These, dass es in BL-Manga vor allem auch um eine ästhetisierte Darstellung des Geschlechtsakts zwischen Männern geht.

Erotische Szenen

Der Klang meines Herzens ist die richtige Lektüre für die romantisch veranlagten Leser unter euch (so wie mich)! Die Mangaka bietet uns eine extra Portion Herzschmerz und ganz, ganz, ganz viel sehnsuchtsvolle Berührungen und Blicke. Wir erfahren die Geschichte aus Takumas Perspektive, weshalb sich die Textelemente, die nicht in Dialogform präsentiert werden, hauptsächlich um Takumas Gedanken und Gefühle drehen. Der Leser erlebt mit, mit welchem Schrecken Takuma dem entstellten Yuki begegnet, wie er alles daran setzt, seinem ehemaligen Freund eine Hilfe und Stütze sein zu können und schließlich auch, wie sich das innige Gefühl von Freundschaft langsam in etwas Anderes verwandelt. Yukis Emotionen bleiben hingegen zunächst rätselhaft und er taut nur langsam auf und wenngleich der Leser sich über sein Verhalten erschließen kann, dass auch Yuki sich mehr und mehr zu Takuma (von dem er ja nicht weiß, dass es sich bei diesem um seinen ehemaligen Freund handelt) hingezogen fühlt, schafft doch erst der erste Kuss Klarheit darüber, dass Yuki Takuma tatsächlich liebt und vor lauter Schmerz kaum noch weiß, in welche Richtung er seine Gefühle richten soll. Die Tatsache, dass Yuki nicht weiß, dass Takuma der vom Sozialdienst gestellte Begleiter ist, verkompliziert die Geschichte ein wenig, aber das scheint eine ungeschriebene Regel des Genres zu sein: Ohne ein Paar Irrungen und Wirrungen ist ein BL-Manga eben kein BL-Manga. Weil Yuki Takuma liebt, ihn aber seine Gefühle für seinen Hilfsarbeiter verwirren, gibt es einiges Hin und Her und Yuki sträub sich sehr offensichtlich gegen diese vermeintlich neue Liebe, aber ich schätze, wenn Takuma nicht vorher die ‚Bombe‘ hätte platzen lassen, hätte Yuki sich nach einiger Zeit auch ohne diesen kleinen ‚Schubs‘ in den ’neuen‘ Takuma verliebt. Ich fand diese Entwicklung sehr niedlich und es hat mich insgesamt gefreut, dass die beiden sich nicht bereits nach dem ersten Kapitel durch sämtliche Musikkompositionen gevögelt haben (verzeiht mir an dieser Stelle den bösen Ausdruck *hust*!).

Damit kommen wir zum zweiten und entscheidenden Punkt. Ja, ihr vermutet (vermutlich) bereits richtig: In Der Klang meines Herzens gibt es den wohlverdienten Blümchensex erst gegen Ende des Manga. Die Kapitel davor dienen dem Zweck, die Entwicklung der romantischen Beziehung aufzuzeigen. Und dies gelingt der Mangaka durchaus solide, wenngleich es in einem einzigen Band immer schwer ist, eine solche plausibel auf einer solch beschränkten Anzahl Seiten darzustellen. Aber ich denke, dies ist zu einem nicht geringen Anteil auch der Leserschaft geschuldet. Wer einen BL-Manga zur Hand nimmt und kein Neuling ist, der erwartet im Rahmen dieses Genres ganz klar wenigstens eine Sexszene pro Band. Damit wird den Autoren ein gewisser Druck aufgebürdet, dieser Erwartungshaltung der Adressaten gerecht zu werden. Es ist natürlich nicht falsch, wenn man innerhalb eines Genres das bekommen möchte, was auf dem Einband des Manga draufsteht, aber ich glaube, dass man, wenn man bereits im ersten Band einer Reihe Sex erwartet, seine Erwartungen bezüglich der Handlung etwas an die Umstände anpassen sollte. Gott, das war jetzt wieder viel Moralapostelgebrabbel von mir! Kurz und knapp: Es gibt definitiv viele BL-Manga mit einem schlechteren Plot und wenn man Der Klang meines Herzens zur Hand nimmt, dann bekommt man zwar auch Sex, jedoch vor allem eine herzergreifende Geschichte mit einem sehr romantischen und – zugegeben – etwas geschönten Setting. Denn unter der auf Ästhetik gedrillten Optik des Werks leidet der grundsätzlich um Realität bemühte Ansatz der Mangaka. Zwar wird Yukis schwere Augenverletzung auch visuell dargestellt, aber das tatsächliche soziale Leben eines beinahe blinden Musikers sieht definitiv anders aus als das von Yuki und keinesfalls ist eine problemlose Heilung möglich. Ich empfand daher die elegante Augenbinde (wahrscheinlich noch ein Seidenband), die Yuki trägt, um seine Augen zu schützen und zu verbergen, als etwas zu viel des schönen Scheins. Wobei ich nicht abstreiten kann, dass mich der Mondspaziergang mit Takuma und der Besuch des Straßenfestes, an dessen Ende Takuma seinen Kopf zärtlich an Yukis Schulter lehnt, ziemlich bei meinen weiblichen Hormonen gepackt haben und danach einige rosa Wattewölkchen durch mein Gehirn zogen. Hach, waren das zwei romantische Szenen *seufz*!

Die Sexszenen fand ich insgesamt ebenfalls gelungen, wenngleich unspektakulär und eben genau so, wie man sie von einem Manga aus dem Romance-Bereich erwartet. Eine nette Abwechselung ist vielleicht der Umstand, dass hier endlich einmal wieder zwei Figuren miteinander schlafen, die ehrliche und aufrichtige Gefühle füreinander haben und sich nicht nur körperlich, sondern auch emotional zueinander hingezogen fühlen. Keine Vergewaltigungen, kein Widerwille, keine One-Night-Stands, sondern zärtlicher und sehr verliebter Sex, wenngleich der erste Band die Frage unbeantwortet lässt, ob Takuma Yuki wirklich liebt. Der BL-Kenner wird nach der Lektüre des ersten Bands zwar laut „KLAR!“ schreien, aber für weniger erfahrene Leser bleibt ein letzter Rest Ungewissheit, denn die magischen Worte „Ich liebe dich“ fallen bei Takuma nicht. Ebenfalls angenehm ist, dass der Sex sich natürlich aus der Handlung heraus entwickelt und quasi als großes emotionales Finale zwischen Yuki und Takuma fungiert. Der Geschlechtsakt wirkt nicht erzwungen, sondern entsteht als letzte Konsequenz der romantischen Gefühle, die in den beiden Figuren füreinander wachsen. Die Panele in diesen Szenen sind inhaltlich solide gestaltet und folgen dem klassischen Schema eines BL-Manga. Einem intensiven Blick folgt eine zärtliche Berührung der Wange des Partners und dieser ein leidenschaftlicher Kuss, an den sich wiederum eine Detailzeichnung des selben (Zungen)Kusses anschließt. Danach wandert die Hand des Seme unweigerlich in die Unterhose des Uke und – die beiden Figuren kommen zur Sache. Oralverkehr, vor Lust verzehrte Gesichter, einige vage zeichnerische Andeutungen (die Geschlechtsteile sind elegant verhüllt), dass Yuki gerade Takumas bestes Stück bearbeitet und schließlich die höfliche Frage, ob man denn nun in den Partner eindringen dürfe. Nach Takumas Einverständnis gibt es für diesen mindestens zwei gigantische Orgasmen *räusper*. Wie gesagt – solide Blickführung des Lesers und aufrund der wunderschönen Zeichnungen wirklich auch sehr schön anzusehen, aber mehr bietet der Manga in dieser Hinsicht nicht. Dass mir die Dialoge in diesen Szenen nicht sonderlich zugesagt haben, habe ich ja bereits im vorherigen Abschnitt angeführt. Auch den ‚Morgen danach‘ fand ich wieder etwas too much. Takuma erwacht nackt in einem riesigen Bett zwischen weißen Laken, während Yuki am Fenster zwischen im Wind flatternden Seidenvorhängen Cello spielt. Also, es ist nicht so, dass man sich das selbst nicht einmal so wünschen würde, aber ich glaube, wir sind alle alt genug, um zu wissen: Nein, liebes Gehirn und liebe Hormone, so etwas kommt in der Realität eher nicht vor.

Um zum Abschluss dieses Absatzes noch einmal auf das Uke-Seme-Schema zurück zu kommen: Der Klang meines Herzens sprengt hier etwas die abgesteckten Stereotype. Körperlich sind beide Figuren als Uke einzuordnen, wenngleich Yuki aufgrund seines verschlossenen Charakters und seiner Größe eher als Seme in Frage zu kommen scheint. Takuma verfügt in Teilen über den Charm eines Hundewelpen, weshalb er der geeignete Uke zu sein scheint. Diese Tendenzen geben letztendlich auch den Ausschlag dafür, dass sich diese Rollenverteilung tatsächlich durchsetzt, doch irgendwie empfand ich die beiden Figuren bezüglicher dieser Aufteilung als sehr flexibel und es fiel mir schwer, sie von Beginn an in diesen Rollen zu sehen. Ich denke, der Hauptgrund hierfür ist, dass Yuki durch seine Augenverletzung und seine traumatischen Erlebnisse während des Studiums so verletzlich und hilfebedürftig und von einem tiefen Schmerz erfüllt erscheint und man ihn vielleicht aus diesem Grund eher als Uke betrachtet. Wobei ich mir – rein objektiv – den fröhlichen Takuma auch nicht als Seme denken kann. Das hat etwas von einem niedlichen Dackelrüden, der einen Windhund beglücken soll *kicher* *grübel*… Na, lassen wir das. Auf jeden Fall hat es mir Spaß gemacht, über die Positionen beim Sex zu spekulieren und letztendlich doch überrascht zu werden.

Figuren / Handlung

Die Art und Weise, auf die sich die beiden Protagonisten einander annähern, fand ich hingegen recht gut umgesetzt. Takuma hat aufrichtiges Mitleid mit seinem Freund und will ihn emotional nicht noch weiter belasten, weshalb er Yuki seine Identität verschweigt. Yuki hängt immer noch an seiner alten Liebe und muss nicht nur mit seiner Augenverletzung zurecht kommen, sondern parallel auch mit dem harten Rückschlag, den diese für seine Karriere als Musiker bedeutet. Aus diesem Grund legt er zu Beginn ein eher schroffes und harsches Verhalten an den Tag. Takuma ist eine sehr liebenswerte, rücksichtsvolle und über alle Maßen empathische Figur, weshalb es nachvollziehbar und plausibel erscheint, dass er sich nicht nur im Rahmen seines Berufs als Sozialarbeiter, sondern auch emotional für seinen Freund aufopfert. Und als Aufopfern kann man wirklich beschreiben, was Takuma tut, denn man merkt ihm nach und nach deutlich an, dass ihn Yukis Zustand und seine eigene Lage ihn emotional stark belasten und er mit seinen Gedanken nach einiger Zeit nur noch bei Yuki ist. Seine Sorge um den Freund reicht so weit, dass er sogar einige Kinder sehr harsch angeht, obwohl diese eigentlich keine bösen Absichten haben. Die Sorge um Yuki lässt Takuma selbst sein eigentlich sanftes und fröhliches Wesen vergessen.

Yuki wiederum hat Takuma gegenüber ein schlechtes Gewissen, den er mit seiner Liebe zu seinem Alltagsbegleiter nicht hintergehen möchte. Das ist im Manga vielleicht ein wenig arg melodramatisch gestaltet, aber den Schmerz, den Yuki durch diese Zerrissenheit empfindet, fand ich durchaus authentisch vermittelt. Dieses schlechte Gewissen der Figur resultiert nicht zuletzt auch aus dem Versprechen, dass Yuki und Takuma sich als Kinder gegeben haben: Eines Tages, wenn er ein erfolgreicher Solist geworden ist, wollte Yuki ein Solokonzert für Takuma spielen. Ich denke, es ist dieses Versprechen, was Yuki so stark an die Vergangenheit bindet und es ihm schwer macht sich der Person zuzuwenden, der er sich als Erwachsener gegenüber sieht. Yuki scheint trotz seiner geheimnisvollen und manchmal unnahbar wirkenden Art ein sehr loyaler und verlässlicher Mensch zu sein. Wenngleich er sich zunächst aus Wut über den Vertrauensmissbrauch und Scham vor seiner Verletzung und den Dingen, die er unwissentlich Takuma erzählt hat, von diesem abwendet, gelingt es ihm jedoch nicht, seinem Freund lange böse zu sein.

Sehr schön finde ich, wie der Manga das Thema Homosexualität behandelt und auch nicht davor zurückschreckt, die Schattenseiten des Musikbusiness anzudeuten. Deutlich wird in einer Szene, die während Yukis Studium spielt, aufgezeigt, wie die Gesellschaft mit dem Outing des jungen Musikers umgeht: Von einigen Kommilitonen und Professoren wird Yukis sexuelle Orientierung akzeptiert, von anderen wird sie abgelehnt und hämisch betrachtet. Nicht zuletzt der Neid eines Mitstudenten auf Yukis Erfolg führt dazu, dass Yuki Opfer eines grausamen Angriffs wird, bei dem er sein Augenlicht verliert. Mit dieser Rückblende mischen sich einige sehr schmerzhafte und scharfe schwarze Splitter in die insgesamt rosafarbene Fassade, die innerhalb des Manga geschaffen wird.

Obwohl doch phasenweise idealisiert dargestellt, freue ich mich auf den zweiten Band der Reihe, denn ich bin wirklich gespannt darauf, wie sich die in tollen Zeichnungen eingefangene Beziehung zwischen Takuma und Yuki entwickeln wird. Ich denke, uns allen ist klar, dass es ein Happy End geben wird, aber ich interessiere mich dafür, ob die Mangaka den hier und dort durchscheinenden ernsten Grundton durchhält oder ob letztendlich doch alles in Kitsch und BL-Klischees ertrinken wird. Es ist zwar klar erkennbar, dass Takuma für Yuki mehr als Freundschaft empfindet, aber ob er diesen wirklich liebt beziehungsweise sich dieses Umstands bewusst ist, hat er noch nicht artikuliert. Takuma ist die klassische ich-bin-nicht-schwul-aber-für-meinen-Freund-bin-ich-doch-schwul-Figur, weshalb er ohne Probleme mit Yuki schlafen kann, sich aber nicht sicher ist, ob er in der Lage ist, eine ’normale‘ Beziehung mit einem Mann zu führen. Eigentlich nerven mich diese Figuren immer, aber Takuma ist wirklich reizend dargestellt und hat so viel Charm und emotionale Tiefe, dass ich ihm diesen Zug verzeihen kann (und der Mangaka auch). Ich habe leider immer noch keine eigene Antwort auf die Frage gefunden, ob sich für einen Menschen, zu dem man eine Verbindung hat, die wir wohl als Seelenverwandtschaft bezeichnen, die eigene sexuelle Orientierung aufheben kann. Ist das weit hergeholt oder haltet ihr dies für möglich? Auf jeden Fall weiß ich dementsprechend immer nicht, wie ich Manga bewerten soll, die sich inhaltlich unter anderem um diese Frage drehen. Wir dürfen auf die Fortsetzung gespannt sein!

Fazit

Der Klang meines Herzens ist ein wundervoller Manga für alle Leser, die extrem romantische und stilvolle BL-Werke mit emotionaler Aufrichtigkeit, einer gesunden Prise Idealismus und atemraubenden Zeichnungen mögen. Es glitzert und funkelt an allen Ecken und Enden und der Sex ist so ziemlich der schönste und zärtlichste, den man als BL-Fan aktuell bekommen kann. Positiv anzumerken ist, dass bei allem Wert, den die Mangaka auf eine ästhetische Darstellung legt, trotzdem der ein oder andere kritische Ton zum Tragen kommt, wenn es um Themen wie Homosexualität oder das Musikbusiness im Allgemeinen geht. Die männlichen Protagonisten wirken sehr feminin und fügen sich damit nahtlos in das zeitlos elegante Setting des Manga ein. Im Wesentlichen entsprechen Yuki und Takuma beide eher dem Typ des Uke, aber die Mangaka strebt im Bett dennoch eine klare Rollenverteilung an, die den ein oder anderen Leser überraschen mag. Insgesamt liegt hier ein sehr ruhiges und unspektakuläres Werk vor, das durch präzise Dialoge sowie eine solide und durchaus plausible Boy x Boy-Beziehung zu überzeugen weiß. Der sorgfältige Entwurf der Figuren tröstet über den Umstand hinweg, dass manche Aspekte doch sehr idealisiert dargestellt sind und die Textelemente in den Sexszenen sehr stereotyp gehalten wurden. Ich persönlich kann den Manga alleine aufgrund seines faszinierenden Artworks allen BL-Fans empfehlen. Und auch, wenn der Klappentext und das Titelbild es vielleicht nahelegen – man muss kein Musikkenner sein, um Freude an dem musikalischen Thema zu haben, denn die Musikkarriere des Protagonisten steht definitiv nicht im Fokus, sondern vielmehr die romantische Beziehung, die sich zwischen Yui und Takuma entwickelt.

Jaa mata ne, eure Amaya!


2 Kommentare

Andre Bursche · 31. Oktober 2019 um 5:47

Toller Artikel. Vielen Dank.

    Amaya · 1. November 2019 um 0:16

    Hallo Andre,

    vielen Dank, das freut mich, dass er dir gefallen hat!

    Liebe Grüße
    Amaya

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